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Druck auf Polizeistaat

Honduras: Soziale Proteste gegen Putschistenregierung

Von Thelma Mejía, Tegucigalpa (IPS) *

In Honduras ist die Regierung von Staatschef Porfirio Lobo nach den von den Putschisten kontrollierten Wahlen keinen Monat im Amt, und schon sieht sie sich mit einer ersten Kundgebung konfrontiert. Die Vorwürfe fortgesetzter Menschenrechtsverletzungen reißen nicht ab.

Am 25. Februar zog die Lehrergewerkschaft COPEMH zusammen mit der Nationalen Widerstandsfront des Volkes (FNRP) in der Hauptstadt Tegucigalpa auf die Straße, um die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung und die Zahlung ausstehender Lehrergehälter sowie Maßnahmen gegen die hohen Lebenshaltungskosten, Armut und Unsicherheit zu fordern. Die FNRP ist ein Zusammenschluß aus Beschäftigtenverbänden, Genossenschaften und sozialen Organisationen, die sich dem Putsch vom 28. Juni letzten Jahres gegen den demokratisch gewählten Expräsidenten Manuel Zelaya von Anfang an widersetzten.

Die Tausenden Demonstranten verurteilten zudem den Mord an Claudia Brizuela am 24. Februar in der nordhonduranischen Stadt San Pedro Sula. Die 36jährige Frau, Tochter von Pedro Brizuela von der FNRP, war von Unbekannten in ihrer Wohnung erschossen worden. Dazu meinte der Vater: »Wir leben in einem Polizeistaat, der gegen jeden vorgeht, der sich gegen den Staatsstreich wehrt. Der Tod meiner Tochter kann nur in diesem Sinne interpretiert werden.«

Claudia Brizuela ist nicht das einzige Kind honduranischer Putschgegner, das ermordet wurde. So erschossen Unbekannte am 15. Dezember die 16jährige schwangere Nicolle Rodríguez Cabrera, Tochter der Fernsehmoderatorin Carol Carera, und am 16. Dezember Edwin Canaca, den 22jährigen Sohn des gleichnamigen Journalisten.

Der Menschenrechtsgruppe COFADEH zufolge wurden die Verbrechen durch »die Maschinerie des Terrors« in Gang gesetzt, die insbesondere in Ländern ohne Rechtstaatlichkeit anzutreffen sei. Das Jahr 2009 sei für Honduras mit durchschnittlich 15 tödlichen Gewaltverbrechen am Tag zu Ende gegangen.

Auch nach dem Amtsantritt von Lobo am 27. Januar reißen die Menschenrechtsverletzungen nicht ab. COFADEH lastet den Sicherheitskräften drei Morde, acht Fälle von Folter, 53 willkürliche Festnahmen, zahlreiche sexuelle Übergriffe und 14 Fälle von Hausfriedensbruch an. 150 Menschen hätten sich aus Angst vor Repressionen ins Ausland abgesetzt, andere die Wohnung oder Stadt gewechselt. In dem zentralamerikanischen Land sterben pro Tag nach Schätzungen durchschnittlich zehn Menschen an den Folgen eines Gewaltverbrechens.

Mitte März soll die von Lobo zugesagte Wahrheitskommission mit den Hintergründen des Putsches befassen. Die FNRP hingegen verlangt die Aufklärung aller Menschenrechtsverletzungen vor, während und nach dem Putsch. Sie befürchtet, daß die Wahrheitskommission die Legitimierung des Staatsstreichs betreiben wird. »Die Wahrheitskommission wird nicht viel ausrichten. Deshalb bestehen wir im Namen der nationalen Versöhnung auf eine verfassunggebende Versammlung, sagte Rafael Alegría, ein weiteres Mitglied der FNRP.

* Aus: junge Welt, 2. März 2010


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