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Manuel Zelaya ist zu einer Integrationsfigur geworden

Vizepräsident Arístides Mejía: Das Putschregime in Honduras verliert durch die internationale Isolation weiter an Rückhalt

Arístides Mejía ist Vizepräsident in der Regierung des Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, gegen die Ende Juni ein Staatsstreich verübt wurde. Er war auf Einladung der Linksfraktion im Bundestag in Berlin zu Gast. Mit ihm sprach für das Neue Deutschland (ND) Harald Neuber.



ND: Herr Vizepräsident, der Putsch gegen Ihre Regierung liegt gut zehn Wochen zurück. Wie schätzen Sie die Lage in Honduras ein?

Mejía: Ich denke, dass die Minderheit, die hinter diesem Putsch steht, an Rückhalt verliert. Bei den Angehörigen der Mittel- und Oberschicht wachsen die Bedenken vor wirtschaftlichen Konsequenzen durch die Isolation, die das Putschregime und damit das Land erleidet. Deswegen verliert Machthaber Roberto Micheletti Unterstützung in den Kreisen, die ihm am nächsten stehen.

In den vergangenen Wochen wurde viel über die Rolle der USA spekuliert. Wie beurteilen Sie deren Politik gegenüber Honduras?

Dass die Regierung von Präsident Barack Obama diesen Putsch entschieden ablehnt, ist eines der größten Probleme des De-facto-Regimes in Tegucigalpa. Das US-Außenministerium hat in der vergangenen Woche erklärt, es könne in der derzeitigen Situation etwaige Wahlresultate nicht anerkennen. Das war ein harter Schlag für die Machthaber in Honduras, denn eine kontrollierte Machtübergabe hätte den Verantwortlichen für die in den vergangenen Wochen begangenen Verbrechen Straffreiheit garantiert. Das Regime hat die Abstimmung Ende November als einen politischen Ausweg aus der Sackgasse gesehen, in der es sich befindet.

Wie das?

Es wären keine freien Wahlen. Die Macht würde kontrolliert an eine den Putschisten nahe stehende Staatsführung übergeben und die Strukturen, die den Staatsstreich getragen haben, blieben intakt. Das betrifft vor allem das Militär und die höheren Justizkreise.

Erst einmal scheint die Situation jedoch sehr festgefahren zu sein. Ja, weil von dem Putschregime wirklich absurde Forderungen gestellt werden. Zuletzt hieß es von dieser Seite, man werde die Gespräche nur weiterführen, wenn Präsident Zelaya ein Jahr lang nicht nach Honduras zurückkehre. Das widerspricht der Verfassung, die sie zu verteidigen behaupten.

Wie erklären Sie sich diese fanatische Ablehnung Zelayas?

Durch sein Ansehen. Er ist zu einer Integrationsfigur geworden. Das ist für die Clique, die Honduras beherrscht, gefährlich.

Sie leben in Guatemala im Exil und halten sich derzeit in Europa zu Gesprächen mit EU-Regierungen auf. Was erwarten Sie von der internationalen Ebene?

Ein härteres und gezieltes Vorgehen gegen die Machthaber in Honduras. In der vierten Septemberwoche wird in New York die 64. Generalversammlung der UNO einberufen. Dort werden weitere Schritte gegen das Putschistenregime beschlossen werden. Auch die entschiedenere USA-Politik gegen die Machthaber liegt auf dieser Linie. Deswegen sind nun die Erwartungen an die EU hoch. Wir vertrauen auf weitere Sanktionen der Europäischen Union, wenn am 21. September der EU-Ministerrat zusammenkommt. Die EU sollte dann der klareren Linie Lateinamerikas und der USA gegen die Putschisten folgen. Das bedeutet: erklärte Nicht-Anerkennung des Putschregimes, Sanktionen gegen seine Vertreter, der Entzug von Visa und Kontensperrungen.

Sie haben in Berlin mit Vertretern des Auswärtigen Amtes gesprochen. Welche Bilanz ziehen Sie nach dem Treffen?

Ich halte dieses Treffen mit hochrangigen Mitarbeitern des deutschen Außenministeriums für sehr wichtig. Es war immerhin der erste offizielle Kontakt zwischen der deutschen Regierung und der legitimen Staatsführung von Honduras nach dem Staatsstreich. Was mich erstaunt hat, war die Informationslage. In den Außenämtern in Madrid oder Paris hatten meine Gesprächspartner, das möchte ich sagen, ein deutlich umfassenderes Bild von der innenpolitischen Lage und der Geschichte des Putsches. Ich hatte den Eindruck, dass das deutsche Außenministerium Informationen erhält, die nichts mit der Realität in Honduras zu tun haben. Meine Gesprächspartner schienen aber dankbar über die zusätzlichen Informationen gewesen zu sein, die wir ihnen geben konnten. Wir haben zu Ende der Unterredung vereinbart, in Kontakt zu bleiben.

* Aus: Neues Deutschland, 15. September 2009


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