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In Honduras nichts Neues

Zelaya organisiert weiter den zivilen Widerstand; die Putschisten verschärfen die Repression

Von Ingo Niebel *

Tegucigalpa, Ocotal. Vier Wochen nach dem Militärputsch gegen Präsident Manuel "Mel" Zelaya erscheint die politische Gesamtlage in Honduras auf den ersten Blick unverändert. Das abgesetzte Staatsoberhaupt hält sich weiterhin in der nicaraguanisch-honduranischen Grenzregion auf; das von den Putschisten dominierte Parlament in seiner Heimat hat eine Debatte über den Vermittlungsvorschlag von Costa Ricas Präsidenten Óscar Arias verschoben. Die internationale Gemeinschaft redet von Zelayas Wiedereinsetzung, unternimmt aber nichts.

Manuel Zelaya befindet sich weiterhin in dem Ort Ocotal, etwa 25 Kilometer von der Grenze zu Honduras entfernt. Von Nicaragua aus versucht er, den "friedlichen Widerstand" gegen die Putschregierung von Roberto Micheletti zu organisieren. Eine für den heutigen Dienstag (28. Juli) geplante Reise in die USA, wo ihn die US-Außenministerin Hillary Clinton auf den Vermittlungsvorschlag von Arías einschwören wollte, hatte Zelaya nach Rücksprache mit Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez abgelehnt. Die beiden Staaten gehören neben Nicaragua, Bolivien, Kuba und Ecuador sowie weiteren Karibikstaaten zur Bolivarianischen Allianz der Amerikas (ALBA), die eine politische und wirtschaftliche Alternative zum US-amerikanischen und europäischen Kapitalismus in der Region darstellt.

Am Dienstag (28. Juli) zeigten sich erste Anzeichen, wonach die Kräfte in Nicaragua, die den Putschisten in Honduras politisch nahestehen, jetzt beginnen, Zelayas Aufenthalt im sandinistischen Exil zu erschweren. Die rechtskonservative spanische Tageszeitung ABC meldete, dass ein nicht namentlich genannter nicaraguanischer Ex-Militär den Honduraner wegen Aufstachelung zum Aufstand angezeigt hätte. In Managua unterstützte die rechtsgerichtete Zeitung La Prensa dieses Vorgehen mit dem Titel "Zelaya organisiert seine Milizen in Nicaragua", obwohl im Text nur die Rede von einer zivilen Widerstandsstruktur ist.

In Honduras sendet das Militär widersprüchliche Signale. Zum einen signalisiert es, dass es ein Abkommen in Costa Rica respektieren würde, aber es werde auf keinen Fall an den Verhandlungen teilnehmen. Zum anderen hat die Armee das Grenzgebiet zu Nicaragua abgeriegelt und eine Ausgangssperre verhängt. Der schwedische Journalist Dick Emanuelsson berichtet aus Tegucigalpa, dass Soldaten 4000-5000 Zelaya-Anhänger eingekesselt hätten. Viele dieser Menschen leben seit dem Wochenende unter freiem Himmel, ohne Essen und Wasser. Unter Berufung auf den Journalisten Toni Solo, der auf der nicaraguanischen Seite lebt, heißt es weiter, dass Ärzte aus Nicaragua und Honduras, die auf Kuba ausgebildet wurden, in die Gegend eilen, um den kranken und verletzten Demonstranten zu helfen.

In der honduranischen Hauptstadt explodierte am Montag (27. Juli) ein Sprengsatz im Büro einer Gewerkschaft, die Zelaya unterstützt. Nach einem Fußballspiel zwischen den Lokalmatadoren Honduras soll es aus politischen Gründen zu einer Schießerei gekommen sein, bei der es laut Radio Globo zwei Tote und 20 Verletzte gab. Bei der Beerdigung des ermordeten Zelaya-Anhängers Mauers Pedro Magdiel Múñoz Salvador am Montag griffen die Trauergäste drei Kriminalpolizisten auf und steckten deren Dienstwagen in Brand. Mitglieder der Nationalen Widerstandsfront gegen den Putsch verhinderten, dass die Beamten gelyncht wurden. Zeugen hatten gesehen, wie Polizisten Múñoz festnahmen. In den frühen Morgenstunden tauchte sein Leichnam auf, der 42 Stichwunden aufwies. Viele Honduraner erinnert das an die Methoden der Todesschwadron 316, die in den 1980er Jahren von den USA ausgebildet und eingesetzt wurde, um die linke Opposition niederzukämpfen.

Zelaya forderte am Montagabend (27. Juli) den Befehlshaber der honduranischen Armee, General Romeo Vásquez, auf, er möge alle Straßensperren aufheben. Der lateinamerikanische Fernsehsender teleSur meldete um Mitternacht (Ortszeit), dass weiterhin Zelaya-Anhänger in das Grenzgebiet strömen.

* Aus: Portal "Amerika21.de", 28. Juli 2009; www.amerika21.de


Einladung an die Grenze

Honduras Präsident sagt US-Reise ab und fordert Sanktionen gegen Putschisten

Von André Scheer **


Der honduranische Präsident Manuel Zelaya hat einen für den heutigen Dienstag (28. Juli) angekündigten Besuch in Washington bei US-Außenministerin Hillary Clinton abgesagt. »Wenn jemand mit mir sprechen will, soll er hierher nach Ocotal kommen; hier kann ich ihn empfangen«, sagte Zelaya in dem nicaraguanischen, unmittelbar an der Grenze zu Honduras gelegenen Ort Las Manos, an dem er seit dem vergangenen Freitag (24. Juli) ausharrt. Zugleich kritisierte er, daß international zuwenig Druck auf die Putschisten in Tegucigalpa ausgeübt werde, die gegenwärtig »sehr schwach« seien. An die US-Administration gerichtet forderte Zelaya auf, sie solle der Diktatur »kraftvoll« entgegentreten. Präsident Barack Obama müsse jetzt handeln, damit deutlich werde, »welches die wirkliche Haltung seiner Regierung zu dem Staatsstreich ist«.

Unterdessen verschärft sich die Lage für mehrere tausend Menschen weiter, die an den Militärsperren zwischen der im Osten von Honduras gelegenen Ortschaft El Paraíso und der Grenze zu Nicaragua festsitzen. Tausende hatten versucht, den Grenzort zu erreichen, doch wird weiterhin eine nicht bekannte Zahl von ihnen weiter blockiert. Offenbar sollen die Betroffenen ausgehungert werden. Hilfslieferungen wie Lebensmittel, Medikamente und Trinkwasser, die durch Aufrufe des Rundfunksenders Radio Globo und der Widerstandsbewegung gesammelt werden konnten, erreichen die Bedürftigen nicht, weil das Militär den Transport der Güter verhindert.

Zu den an den Sperren festgehaltenen Menschen gehören auch Zelayas Mutter, Hortensia Rosales, seine Ehefrau Xiomara Castro und Zelayas Tochter Hortensia. Castro hatte am Wochenende ein Angebot des von den Putschisten eingesetzten »Übergangspräsidenten« Roberto Micheletti abgelehnt, ihr ein Privatflugzeug zur Verfügung zu stellen, um sie außer Landes zu bringen. »Ich will das Land nicht verlassen, denn ich bin kein Feigling. Ich will weiterhin gemeinsam mit dem Volk Widerstand leisten«, sagte sie gegenüber Radio Globo, einem der wenigen Rundfunksender des Landes, der sich den Versuchen der Putschisten widersetzt, die Ereignisse zu verschweigen. Ihre einzige Forderung sei, daß die Soldaten sie passieren lassen, damit sie sich an der Grenze mit ihrem Mann treffen könne, so Xiomara Castro.

Besonders dramatisch stelle sich die Lage in der rund zehn Kilometer von der Grenze zu Nicaragua entfernten Gemeinde Alauca dar, berichtet der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes CUTH, Israel Salinas. Dort seien rund 1000 Menschen von Elitetruppen der Streitkräfte eingeschlossen und könnten sich nirgendwohin bewegen, um Lebensmittel oder Trinkwasser zu erwerben. Auch den Einwohnern von El Paraíso werde verweigert, für die Eingeschlossenen Einkäufe zu erledigen oder sich gar mit ihnen zu solidarisieren. Die Menschen seien gezwungen, schmutziges Wasser zu trinken und alles zu essen, was sie finden können, was dramatische Folgen für ihre Gesundheit habe. »Das faschistische Regime hat aus Alauca ein Nazi-Konzentrationslager unter freiem Himmel gemacht«, warnte Salinas. »Wenn die Solidaritätsbewegung jetzt nicht handelt, wird Alauca zum honduranischen Guernica!«

Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat unterdessen den Versuch Zelayas begrüßt, erneut nach Honduras einzureisen und nannte die Haltung des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias »bedauerlich«. Nach dem Scheitern seiner Vermittlungsbemühungen hatte Arias am Wochenende erklärt, der Aufenthalt Zelayas an der Grenze zu seinem Land sei »nicht der Weg zur Lösung« der Krise in dem zentralamerikanischen Land. Chávez kritisierte, Arias wiederhole nur die Worte des State Department in Washington, »und das ist eines Präsidenten aus Lateinamerika unwürdig«. Wenn die Aktionen Zelayas nicht der Weg seien, welches sei er denn dann, fragte Chávez: »Die Kapitulation? Das Unmoralische?« Zelaya habe ihn um seine Meinung über das von Arias vorgeschlagene »Abkommen von San José« gefragt, das eine Rückkehr Zelayas unter Bedingungen wie einem Verzicht auf die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung und Straffreiheit für die Putschisten vorsah, und er habe ihm geantwortet, daß dies »eine Falle« sei. »Zum Glück ist er, glaube ich, schnell dieser Falle entkommen«, so der venezolanische Präsident.

** Aus: junge Welt, 28. Juli 2009


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