Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Ohne die Rückkehr Zelayas gibt es keine Einigung"

Gespräche zwischen Putschisten und Vertretern der gewählten Regierung von Honduras ergebnislos vertagt. Ein Gespräch mit Israel Salina

Israel Salina ist Generalsekretär des honduranischen Gewerkschaftsverbandes CUTH und führendes Mitglied der Nationalen Front gegen den Militärputsch. Zur Zeit ist er mit sechs weiteren Vertretern der Front in Costa Rica, um bei den Gesprächen zwischen Vertretern der gewählten Regierung und den Putschisten zugegen zu sein



Sie sind aus Honduras zu den Gesprächen zwischen Putschisten und Vertretern der gewählten Regierung gekommen. Wie ist die Situation in Ihrem Land zwei Wochen nach dem Umsturz?

Am Freitag gab es einen nationalen Generalstreik gegen den Militärputsch. Alle Autobahnen und größeren Brücken wurden besetzt. Die Straßen und Plätze der Hauptstadt, der anderen Städte und Dörfer sind in der Hand der sozialen Bewegungen. International sind die Putschisten weiterhin isoliert, die Nationen verurteilen den Staatsstreich. Das bedeutet, daß alles, was die Lügenregierung von Micheletti macht, illegal ist. Gleiches gilt auch für eine neue Regierung, sollte es jetzt zu Neuwahlen kommen.

Die Gespräche werden vom costaricanischen Präsidenten Oscar Arias moderiert und sind am Freitag ohne konkrete Ergebnisse beendet worden. Wie schätzen Sie den bisherigen Verlauf ein?

Zunächst: Präsident Zelaya hat die richtige Entscheidung getroffen, als er der Vermittlung durch Oscar Arias zustimmte. Damit hat er deutlich gemacht, daß er eine friedliche Lösung sucht. Gleichzeitig wissen wir aber, daß die anmaßende Art der Putschisten eine Verhandlungslösung unmöglich macht. Sie können sich auf den Machtapparat stützen, ihnen gehorchen Polizei und Militär und damit auch die Verantwortlichen für Dutzende Morde und 190 verschwundene Gewerkschafter und Linke in den 80er Jahren.

Arias als Vermittler ist natürlich auch ein Problem, denn er ist ein exponierter Vertreter der Rechten. Er übergeht einfach den ersten Schritt, den jeder internationale Vermittler gehen müßte: Ohne die Rückkehr von Zelaya in das Präsidentenamt kann es keine Einigung geben. Wir haben das Gefühl, daß er den Prozeß in die Länge ziehen möchte. Das hilft den Putschisten.

Sind die Organisationen der Nationalen Front gegen den Putsch in dieser Frage einer Meinung?

Ja. Wenn der Militärputsch einen positiven Effekt hatte, dann ist das die Einigung der zahlreichen Organisationen der fortschrittlichen Bewegung. Gewerkschaften, Campesinoorganisationen, Frauengruppen und linke Parteien stehen nun zusammen wie nie zuvor in Honduras. Die Nationale Front hat eine siebenköpfige Delegation nach Costa Rica entsandt, damit wir den Vermittlungsprozeß unterstützen. Vor dem Beginn der Gespräche hatten wir auch ein Treffen mit Oscar Arias. Leider kam sehr schnell zum Ausdruck, daß ihn unsere Vorschläge und Kritiken nicht interessieren. Er blieb nicht nur unterkühlt, er fiel uns auch immer wieder ins Wort.

Es soll noch weitere Treffen geben. Halten Sie die Verhandlungen für den richtigen Weg?

Zur Klarstellung: Es gibt keine Verhandlungen, sondern Gespräche. Wir sind für den Dialog, aber über die Rückkehr der verfassungsmäßigen Ordnung in Honduras gibt es nichts zu verhandeln. Es war richtig, die Gespräche für dieses Mal schnell zu beenden. Aber ich unterstütze den Vorschlag unserer Delegierten Silvia Ayala. Die Parlamentsabgeordnete der Linkspartei UDE hat für die Nationale Front auf Einladung der Regierung Zelaya an den Gesprächen teilgenommen. Sie hat Arias zur nächsten Dialogrunde nach Honduras eingeladen, damit er sich ein Bild von der Unterdrückung machen kann.

Am 29. November wird in Honduras aller Voraussicht nach gewählt. Manuel Zelaya kann nicht antreten, weil die Verfassung eine Wiederwahl ausschließt. Welche Option hat die fortschrittliche Volksbewegung?

Ich sehe drei Möglichkeiten. Sollte die Putschregierung dann noch im Amt sein, kann von demokratischen Wahlen keine Rede sein. Auch die neugewählte Regierung würde dann international keine Anerkennung finden. Eine andere Option ist, daß aus der Antiputschbewegung eine neue politische Kraft entsteht. Daraus könnte eine patriotische Allianz werden, die die Wahlen gewinnen könnte. Die dritte Variante wäre der Aufruf zum Wahlboykott und ein Konzept von Gegenmacht. Wir müssen die Entwicklung in den kommenden Monaten abwarten, bis wir die Entscheidung treffen.

Interview: Torge Löding, San José

* Aus: junge Welt, 13. Juli 2009

Dokumentiert:

"Putschisten haben keine Argumente"

Kommuniqué der Nationale Widerstandsfront gegen den Staatstreich in Honduras zu den Gesprächen in Costa Rica

Die Kommission der Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatstreich in Honduras, die am Donnerstag, den 9. Juli, an den Gesprächen teilgenommen hat, die in Costa Rica in der Residenz des Präsidenten Oscar Arias stattgefunden haben, gibt zur Kenntnis:
  1. Wir beklagen, dass die Putschistenkommission jeglichen politischen Willen hat fehlen lassen, um einen schnellen Ausweg aus der Krise zu finden und den Weg zu einer Normalisierung des Landes zu ebnen. Dies kam klar zum Ausdruck, als der Putschist Micheletti vorbrachte, dass die Kommission nicht dazu autorisiert sei, das grundlegende Thema der Wiedereinsetzung des Präsidenten Zelaya zu behandeln.
  2. Wir wiederholen unsererseits, dass unsere nicht verhandelbare Position in der unverzüglichen und bedingungslosen Wiedereinsetzung des Präsidenten Zelaya besteht, genau wie dies von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), dem System der Zentralamerikanischen Integration (SICA) und der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) vorgetragen worden ist.
  3. Wir bringen unsere Befriedigung über die Worte von Präsident Oscar Arias zum Ausdruck, der sich dahingehend geäußert hat, dass jede Art von Vereinbarung nur über die Wiedereinsetzung des verfassungsmäßigen Präsidenten der Republik Manuel Zelaya führt. Wir hoffen, dass diese Position aufrecht erhalten bleibt und in kürzester Zeit in die Tat umgesetzt wird.
  4. Den ganzen Tag über blieb die Gewissheit über die Unhaltbarkeit der Argumente der Putschisten bestehen. Sie vermögen es nicht, die Demokratie und das Engagement des honduranischen Volkes zu kriminalisieren. Sie besitzen keine Argumente dafür, warum sie den verfassungsmäßigen Präsidenten der Republik auf gewaltsame Weise verschleppt haben, noch können sie Fragen zu der gefälschten Unterschrift unter dessen angeblicher Rücktrittserklärung beantworten. Auch im Hinblick auf die von den Streitkräften gegen wehrlose Demonstranten verübten Verbrechen haben sie keine Begründung.
  5. Obwohl am Donnerstag keinerlei realer Fortschritt bei diesen Gesprächen erzielt werden konnte, erklären wie erneut, dass dies am Fehlen des politischen Willens der Putschisten gelegen hat. Wir werden am Freitag erneut an den Gesprächen teilnehmen, um dabei noch einen letzten Versuch zu unternehmen, die sofortige Wiedereinsetzung unseres Präsidenten zu erreichen.
  6. Wir bitten die internationalen Menschenrechtsorganisationen dazu, Aktionen zu ergreifen, die den Schutz der Rechte derjenigen Menschen garantieren, die auf friedliche Weise in Verteidigung der demokratischen Institutionen in Honduras demonstrieren. Wir treten auch für die Anklage der systematischen Menschenrechtsverletzungen ein, die von den Putschisten gegen unser Volk begangen werden.
  7. Wir rufen alle sozialen Bewegungen dazu auf, die Solidarität mit dem Kampf unseres Volkes zu verstärken, und wiederholen unsere Verpflichtung als Volk von Honduras, keinerlei Anstrengung zu scheuen bis wir das Ziel von Millionen von Mitbürgen erreicht haben, das im Aufbau eines wahrhaft demokratischen und partizipativen Staatsmodells liegt. Der Weg dahin führt über die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung.
San José, Costa Rica
9 . Juli 2009


Übersetzung: Klaus Lehmann;
Quelle: www.amerika21.de





Zurück zur Honduras-Seite

Zurück zur Homepage