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"Dies ist ein terroristisches Regime"

Die honduranische Menschenrechtlerin Bertha Oliva über die Putschregierung Michelettis

Bertha Oliva arbeitet seit vielen Jahren für das Komitee der Angehörigen von Gefangenen und Verschwundenen. Das Interview, das wir im Folgenden dokumentieren, erschien im "Neuen Deutschland" *



Wie beschreiben Sie die gegenwärtige Situation in Honduras?

Wir sind bestürzt angesichts dessen, was wir in unserem Land sehen. Das Putschregime verletzt sämtliche demokratische Grundsätze und tritt die Menschenrechte der Honduraner mit Füßen. Die Nationale Menschenrechtskommission negiert dies; sie steht auf Seiten der Putschisten. Ihr Vorsitzender Ramón Custodio hat öffentlich verkündet, in Honduras gebe es zur Zeit keine Menschenrechtsverletzungen, deshalb sähe er auch keinen Anlass, sich in den gegenwärtigen Konflikt einzuschalten.

Wie schätzen Sie selbst die Menschenrechtslage ein?

Es gibt immer mehr Tote und ungezählte Festgenommene. Menschen werden aus ihren Wohnungen abgeholt und in Gefangenenlagern wie Tiere gehalten. Dies ist ein terroristisches Regime. Ich habe dafür keine anderen Worte.

Die Anhänger von Präsident Zelaya organisieren sich zum Teil in Nicaragua. Können sie Honduras problemlos verlassen?

Nein. Tausende seiner Anhänger wurden im honduranischen Bundesstaat El Paraíso an der Grenze zu Nicaragua von einem Großaufgebot an Soldaten abgefangen. Die Situation dort ist besorgniserregend. Die im gesamten Land verhängte nächtliche Ausgangssperre wurde dort auf bis zu 24 Stunden ausgeweitet, so dass quasi alle festgenommen werden können, die auf der Straße stehen. Weder ist eine medizinische Versorgung der Demonstranten gewährleistet, noch haben sie ausreichend Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser.

Ist es möglich, diese Menschen zu unterstützen?

Ich bin gerade von einer gescheiterten Mission in den Westen des Landes zurückgekehrt. Nach neun Stunden Fahrt wurden wir schließlich am letzten der zu passierenden Militärposten zurückgeschickt.

Gibt es Medien, die kritisch über die Vorgänge im Land berichten?

Die kritischen Medien sind weitgehend abgeschaltet; alle anderen auf einer Linie mit der Putschisten. Oft sitzen ihre Eigentümer auch gleichzeitig als Abgeordnete im Kongress. Sie führen einen »Krieg geringer Intensität« gegen die Bevölkerung. Mal heißt es, dass schon viele Staaten die Putschisten anerkannt haben; ein anders Mal, dass das venezolanische Heer in Nicaragua stehe, um in Honduras einzumarschieren.

Wie schätzen Sie Roberto Micheletti ein, den von den Putschisten erwählten »Präsidenten«?

Dieser Mann hat sich in seiner politischen Karriere stets mit korrupten Persönlichkeiten umgeben. Schon 2005 hatte er Ambitionen, Präsident von Honduras zu werden, fand für dieses Vorhaben jedoch noch nicht einmal ausreichend Anhänger in seiner eigenen Partei. Obwohl er schon seit 1982 Kongressmitglied ist, ist er nicht gerade populär.

Wie geht die Zusammenarbeit zwischen Putschisten und Militär vonstatten?

Die Oligarchie aus den Familien, die traditionell die politische und wirtschaftliche Elite des Landes stellen, braucht das Militär, um ihre Macht zu sichern. Roberto Micheletti hat Hauptmann Billy Joya zum »beratenden Minister« ernannt. Dieser hat eine traurige Berühmtheit als Anführer der Todesschwadronen in den 80er Jahren erlangt. Nachdem Joya 20 Jahre im Geheimen agieren musste, ist er nun zum »Staatsmann« aufgestiegen.

Wie sollte die internationale Gemeinschaft reagieren?

Sämtliche Finanzhilfen sollten ausgesetzt werden, um den Putschisten den Geldhahn abzudrehen. Stattdessen aber wird unser Präsident Manuel Zelaya in einen Dialog verwickelt, der eigentlich schon gescheitert ist. Das gibt den Putschisten Gelegenheit, ihr Regime zu festigen und die Zivilgesellschaft mit Repression zu überziehen. Doch bisher ist ihnen das nicht gelungen, seit einem ganzen Monat sind die Menschen nun auf der Straße und protestieren. Sie werden sich nicht zum Schweigen bringen lassen, bis der gewählte Präsident zurückgekehrt ist und alle demokratischen und individuellen Rechte in Honduras wieder gewährleistet sind.

* Aus: Neues Deutschland, 1. August 2009


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