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Hernández vorn – aber zu Recht?

Honduras: LIBRE-Partei erhebt Vorwürfe von Wahlbetrug und Menschenrechtsverletzungen bei Präsidentenvotum

Von Jutta Blume, Tegucigalpa *

Nach den Präsidentschaftswahlen in Honduras schwinden die Aussichten der linksgerichteten LIBRE und ihrer Präsidentschaftskandidatin Xiomara Castro auf einen Sieg.

Die Entscheidung in Honduras scheint gefallen. Zwar sind laut Oberstem Wahlgerichts TSE erst 75 Prozent der Stimmen in das Wahlergebnis eingeflossen, am Montagabend verkündete TSE-Direktor David Matamoros jedoch: »Die Zahlen zeigen eine unumkehrbare Tendenz, wir erklären weder Gewinner noch Verlierer, aber wir versichern, dass die Ergebnisse sich nicht mehr stark verändern werden.« Demnach liegt Juan Orlando Hernández von der Nationalen Partei mit 34 Prozent 5 Prozentpunkte vor Xiomara Castro von der Partei Freiheit und Neugründung (LIBRE) mit knapp 29 Prozent der Stimmen.

Die Partei LIBRE und die Antikorruptionspartei (PAC) sprechen weiterhin von Wahlbetrug. So wirft Salvador Nasralla (PAC) der Nationalen Partei vor, in ihren Callcentern schon am Tag vor der Wahl Auszählungslisten gefälscht zu haben, um sie am Wahltag an die Wahlbehörde zu übermitteln. Außerdem seien Festplatten und Modems gestohlen worden, um Daten an die Wahlbehörde übermitteln zu können. Nasralla fordert eine komplette Neuauszählung aller Stimmen unter Aufsicht von Vertretern der vier großen Parteien sowie internationaler Beobachter.

In den vergangenen Tagen kam es in Tegucigalpa und in mehreren anderen Städten zu ersten Protesten gegen das Wahlergebnis des TSE. Am Dienstagnachmittag protestierten Studierende der Nationalen Universität gegen die Ergebnisse, die Polizei setzte Tränengas ein und nahm mehrere Personen fest.

Bereits am Montagnachmittag zogen nach einer Pressekonferenz von LIBRE Parteianhänger zum TSE, wo sie bis zum Abend ausharrten. Rixi Moncada, Vertreterin von LIBRE im Beratungsgremium des TSE, reklamierte auf der Konferenz, dass Auszählungslisten mit 400 000 Stimmen, die die Behörde zur Prüfung zurückhält und auf denen LIBRE führte, noch nicht in das Wahlergebnis einbezogen seien. Parteichef Manuel Zelaya, der 2009 aus seinem Präsidentenamt geputscht wurde, sagte auf der Konferenz: »Wenn es nötig ist, werden wir die Wählerstimmen auf der Straße verteidigen.«

Unterdessen haben die Wahlbeobachtungsmissionen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der EU und des Carter-Centers Honduras weitgehend transparente und faire Wahlen bescheinigt. »Die Beobachter der Wahlbeobachtungsmission der EU bewerteten den allgemeinen Verlauf und die Transparenz der Wahl in 92 Prozent der beobachteten Lokale als gut oder sehr gut«, heißt es im Vorabbericht der EU vom Dienstag. Der Vorsitzende der Wahlbeobachtungsmission der OAS, Enrique Correa, erklärte: »Die Auszählung erfolgte auf transparente Weise und wir halten die Ergebnisse für vertrauenswürdig.« Die EU-Beobachter kritisieren allerdings die Intransparenz der Wahlkampffinanzierung sowie die Verwendung öffentlicher Gelder für den Wahlkampf der Nationalen Partei in fast allen Landesteilen.

Noch vor Bekanntgabe eines Endergebnisses durch das TSE gratulierten die Staatschefs von Nicaragua, Costa Rica, El Salvador, Panama und Spanien Juan Orlando Hernández zum Wahlsieg.

Ein anderes Bild als die Regierungsmissionen zeichnen verschiedene Menschenrechtsorganisationen, die zur Wahl im Land und auch in den Wahllokalen anwesend waren. Die honduranische Menschenrechtsorganisation COFADEH berichtet von schwerwiegenden Vorfällen am Wahltag. So verweigerten an mehreren Orten Bewaffnete Wahlhelfern und Wählern den Zugang zu ihren Wahllokalen. Zwei LIBRE-Aktivisten wurden erschossen.

Die Internationale Menschenrechtsföderation (FIDH), an deren Mission unter anderen die salvadorianische Menschenrechtsverteidigerin und Verfassungsrichterin Mirna Perla und der ehemalige spanische Staatsanwalt Baltasar Garzón teilnahmen, berichtet von zahlreichen Fehlern im Wählerregister. Während das Register bereits Verstorbene verzeichnete, waren andere Wähler für tot erklärt worden und konnten ihr Wahlrecht nicht ausüben.

Die FIDH kritisiert außerdem die Militärpräsenz am Wahltag, die zu einem Klima der Einschüchterung beigetragen hätte. Sie beschreibt aber auch die besorgniserregende Menschenrechtslage im Land, etwa die fortwährenden Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und die anhaltende Straflosigkeit. »Eine zentrale Sorge sind zwei Listen von Personen, die in den nächsten Tagen oder Monaten Opfer von außergerichtlichen Exekutionen werden sollen«, erklärte der kolumbianische Anwalt Luis Guillermo Pérez Casas. »Wir fordern vom honduranischen Staat, insbesondere dem Präsidenten, die physische und psychische Integrität aller Personen auf diesen Listen zu sichern.«

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 28. November 2013


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