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"Frieden und Ruhe"

Honduras: Kandidat der Rechten zum Sieger erklärt. Linke Xiomara Castro kritisiert Betrug, will aber keine Proteste

Von André Scheer *

In Honduras hat das Oberste Wahlgericht (TSE) am Mittwoch (Ortszeit) offiziell den Kandidaten der Nationalen Partei, Juan Orlando Hernández, zum Sieger der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag erklärt. Nach Auszählung von gut 75 Prozent aller Stimmen liege Hernández mit 35,26 Prozent uneinholbar vor der Kandidatin der Linkspartei LIBRE, Xiomara Castro, die 29,14 Prozent erreicht habe. Man werde Hernández »in den nächsten Tagen« offiziell zum neuen Präsidenten des zentralamerikanischen Landes erklären, kündigte TSE-Präsident David Matamoros an.

Die aus der Widerstandsbewegung gegen den Putsch von 2009 hervorgegangene LIBRE (Freiheit und Neugründung) erkennt das Ergebnis weiterhin nicht an, will es aber offenbar zähneknirschend hinnehmen. Xiomara Castro, die Ehefrau des 2009 gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya, erklärte am Mittwoch nach dem offiziellen Bulletin des TSE, in Honduras bestehe eine Diktatur, dem Volk sei »der Sieg geraubt« worden. Diese Tatsache werde »die neue Regierung kennzeichnen«, gegen die LIBRE eine starke Opposition sei, sagte sie im Fernsehsender Globo TV. Sie rief die Anhänger ihrer Partei jedoch auf, nicht auf die Straße zu gehen, sondern Geduld zu haben. Am heutigen Freitag werde man Beweise für die Manipulationen der Ergebnisse vorlegen und rufe für Samstag zu einer Kundgebung auf, bei der die Führung der LIBRE eine offizielle Bilanz der Wahlen ziehen werde. Bis dahin müßten »Frieden und Ruhe im Land gewahrt« bleiben, »was wichtiger ist als wir selbst«.

Demgegenüber hatten am Dienstag mehrere hundert Studenten in Tegucigalpa gegen den Betrug demonstriert. Die Protestierenden wurden durch die Polizei brutal auseinandergetrieben, Castros Anhänger flüchteten daraufhin in das Universitätsgebäude. Auch in San Pedro Sula kam es zu Demonstrationen von Anhängern der offiziell unterlegenen Partei.

Offiziell die Wahl anfechten will unterdessen der Spitzenkandidat der Antikorruptionspartei PAC, Salvador Nasralla. Er war dem offiziellen Ergebnis zufolge mit 14,51 Prozent auf dem vierten Platz gelandet, nach dem Liberalen Mauricio Villeda, der 20,44 Prozent erreicht haben soll. Schon am Dienstag reichte er Beschwerde beim TSE ein und forderte eine komplette Neuauszählung in Anwesenheit nationaler und internationaler Beobachter. Schon unmittelbar nach den ersten Prognosen des TSE hatte es Berichte gegeben, wonach die Ergebnisse von bis zu 20 Prozent der Wahllokale nicht in die bekanntgegebenen Zahlen eingeflossen seien. Zudem dokumentieren oppositionelle Medien auf ihren Internetseiten zahlreiche Protokolle über Einzelresultate, die nicht mit den vom TSE auf seiner Homepage veröffentlichten Angaben übereinstimmen.

Unabhängig von der anhaltenden Debatte um solche Manipulationen zeichnet sich ab, daß das bislang in Honduras herrschende Zweiparteiensystem Vergangenheit ist. Im Parlament stellt die LIBRE künftig mit 39 Abgeordneten die zweitstärkste Fraktion nach den Nationalen, die 48 Parlamentarier haben. Die Liberalen, die sich mit diesen über Jahrzehnte an der Regierung abgewechselt hatten, sind mit 25 Mandaten nur noch dritte Kraft. Nasrallas PAC stellt mit 15 Abgeordneten die viertstärkste Fraktion. Drei weitere Listen haben mit jeweils einem einzigen Abgeordneten den Sprung in den Nationalkongreß geschafft.

Beobachter gehen allerdings davon aus, daß die beiden traditionellen Parteien ihre geschrumpfte, aber noch vorhandene gemeinsame Mehrheit nutzen werden, um Projekte gegen die Opposition aus LIBRE und PAC durchzusetzen. So kommentierte die Tageszeitung La Tribuna am Mittwoch, die Regierungspartei werde »niemals mit einer feindlichen politischen Kraft verhandeln, mit der sie sich im zurückliegenden Wahlkampf eine erbitterte Schlacht geliefert hat«. Dadurch jedoch bleibe das Zweiparteiensystem praktisch am Leben, auch wenn die beiden traditionellen Kräfte nicht mehr in der Lage sind, alleine etwa Verfassungsänderungen durchzusetzen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 29. November 2013


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