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Wende in Honduras

Stimmen der Präsidentschaftswahl werden neu ausgezählt

Von André Scheer *

Überraschender Kurswechsel in Honduras: Das Oberste Wahlgericht (TSE) hat sich bereit erklärt, die Protokolle der einzelnen Wahllokale zu überprüfen und die Stimmen neu auszuzählen. Das hatten die Linkspartei LIBRE und deren Präsidentschaftskandidatin Xiomara Castro am Montag (Ortszeit) beantragt. Dem offiziellen Ergebnis zufolge war sie bei der Abstimmung am 24. November mit 28,8 Prozent auf dem zweiten Platz gelandet, zum Wahlsieger hatte das TSE den Kandidaten der Nationalen Partei, Juan Hernández, erklärt. Dieser habe 36,8 Prozent der Stimmen erhalten. Dritter wurde demnach Salvador Nasralla mit 13,5 Prozent. Dessen Antikorruptionspartei PAC hat die Wahlen schon in der vergangenen Woche angefochten.

TSE-Präsident David Matamoros, der sich tagelang allen Protesten gegenüber taub gestellt hatte, kündigte nun an, die Auszählung öffentlich vorzunehmen, um alle Zweifel auszuräumen. An Xiomara Castro gewandt forderte er, sie müsse ihre Niederlage eingestehen, wenn die Neuauszählung ergebe, daß sie verloren habe. Umgekehrt verlangte LIBRE-Parteichef Manuel Zelaya von Matamoros, dessen Behörde müsse das neue Ergebnis ebenfalls anerkennen, »wenn Xiomara gewinnt«.

Der Sinneswandel Matamoros’ könnte durch Medienberichte ausgelöst worden sein, die den Gerichtspräsidenten mit Korruptionsfällen in Verbindung bringen. So berichtete der Fernsehsender Cholusatsur, Matamoros sei 1993 wegen Bestechlichkeit als Chef der Allgemeinen Zolldirektion abgelöst worden. Als Beleg präsentierte der Direktor des auch als Canal 36 bekannten Senders, Esdras Amado López, Zeitungsausschnitte von damals.

Am Sonntag hatten in Tegucigalpa Tausende Menschen gegen den mutmaßlichen Betrug bei der Präsidentschaftswahl demonstriert, nachdem Xiomara Castro am Freitag bei einer Pressekonferenz umfangreiches Material vorgelegt hatte, das die Manipulationen belegen sollte. Da Matamoros sich an diesem Tag unter Verweis auf die Öffnungszeiten des Gerichts geweigert hatte, die Beweismittel entgegenzunehmen, kehrten Castro und Zelaya am Montag noch einmal zum Sitz der Behörde zurück und beantragten offiziell die Neuauszählung. Anschließend zeigte sich Castro gegenüber Journalisten erfreut über die Entscheidung des TSE. »Eine Tür öffnet sich«, erklärte sie. Im Interesse der Ruhe im Land hoffe sie, daß diese tatsächlich offen bleibe.

* Aus: junge welt, Mittwoch, 4. Dezember 2013


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