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Halbfreier Urnengang in Honduras?

Ulrike Lunacek über die Wahlbeobachtungsmission der EU *


Ulrike Lunacek ist Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Die Österreicherin vertritt die Fraktion Grüne/EFA als Sprecherin in europa- und außenpolitischen Fragen. Ende November leitete sie die EU-Wahlbeobachtermission in Honduras. Zum Sieger der Präsidentenwahl wurde unter Protest der linken Opposition der rechte Juan Orlando Hernández erklärt. Harald Neuber befragte Ulrike Lunacek.


Frau Lunacek, die von Ihnen geleitete EU-Beobachtermission bei den Wahlen in Honduras sprach in ihrem vorläufigen Bericht von einem ruhigen Verlauf. Zugleich gab es in dem mittelamerikanischen Land Massenproteste der Opposition gegen einen vermeintlichen Wahlbetrug. Wer hat denn nun Recht?

Zum einen möchte ich betonen, dass der Bericht, den ich am 26. November – nicht einmal 48 Stunden nach der Schließung der Wahlurnen – vorgestellt habe, vorläufigen Charakter hat. Der Endbericht wird gerade erstellt und den werde ich Anfang kommenden Jahres auch in Honduras vorstellen. Unser Bericht enthält zwei Dinge: Zum einen war die Wahlkampagne undurchsichtig und ungleich. Der Wahltag selbst aber ist transparent verlaufen. Transparent heißt nicht, dass alles in Ordnung war. Das heißt, dass dort, wo es Fehler, Unregelmäßigkeiten und versuchte Manipulationen gab, dies offengelegt werden konnte. Aber im Bericht gehen wir auch auf den Missbrauch öffentlicher Gelder durch die Nationalpartei für die Wahlkampagne ein, die fehlende Gewaltenteilung, die hohe Straflosigkeit und das Versagen der Justiz sowie die politische Gewalt.

In der honduranischen und internationalen Presse war davon wenig zu erfahren. Fühlen Sie sich missverstanden?

Die Tatsache, dass sich alle Medien nur auf den Wahltag konzentriert haben, ist tatsächlich ein Problem. Es ärgert mich außerdem, wenn der spanische Begriff »transparente« hier mit »frei und fair« übersetzt wird. Das ist falsch und ich habe es nie gesagt.

Ihr Stellvertreter, der Spanier José Antonio de Gabriel, wurde vor wenigen Tagen in einem regierungsnahen Blatt in Honduras erneut mit der Aussage zitiert, dass alles ruhig verlaufen sei.

Ja, für den Wahltag stimmt das. Er hat aber auch gesagt, dass es Unregelmäßigkeiten gab, etwa gekaufte Wahlausweise der Beisitzer. Er hat auch erwähnt, dass der ungleiche Zugang zu Finanzen im Wahlkampf für große Probleme gesorgt hat.

Nach Angaben Ihres Landsmanns Leo Gabriel, der an der EU-Mission teilnahm, gab es dennoch Dissens in der Delegation.

Ich finde, dass Leo Gabriel, den ich gut kenne, einen Fehler gemacht hat. Wahlbeobachtung heißt, dass man unparteiisch sein muss. Ich kann mich nicht ohne sachliche Begründungen auf eine Seite stellen.

Denken Sie, dass Herr Gabriel, der nach seiner Kritik von der Mission suspendiert wurde, politisch voreingenommen war?

Das kann ich nicht beurteilen. Aber er hat den Verhaltenskodex gebrochen, indem er eine Pressekonferenz gegeben hat. Vor allem aber war er Kurzzeitbeobachter und nur in einem Teilbereich einer Region. Und dort hat die Antikorruptionspartei PAC gewonnen. Mehrheitlich war das aber anders. LIBRE hat in drei Regionen gewonnen, die Liberalen in einer und die Nationale Partei in 13.

Was ist also Ihr Resümee?

Wir werden verschiedene Dinge empfehlen. Ein Wahlkampfkostengesetz zum Beispiel. Hinzu kommen juristische Fragen: Dass Juan Orlando Hernández, der Wahlsieger, etwa Parlamentspräsident blieb, obwohl er schon kandidierte. Dass er in dieser Zeit die Obersten Richter absetzen ließ. Der Mangel an Gewaltenteilung. Der Einsatz der von Hérnandez im August geschaffenen Militärpolizei als Mittel der Wahlkampagne. Diese Kritik wird sich in unserem Bericht finden.

Frau Lunacek, haben in Honduras also freie und faire Wahlen stattgefunden?

Das ist nicht eindeutig mit Ja oder Nein zu beantworten. Der Wahlkampf selber hat demokratischen Anforderungen nicht genügt. Die Manipulationen fanden vor der Abstimmung statt. Am Wahltag selbst aber war die Bereitschaft der Leute groß, der Angst im Land zu widerstehen. Es sind viele Menschen wählen gegangen. Das ist eine tolle Leistung und das will ich nicht schmälern lassen durch das, was es an Unregelmäßigkeiten am Wahltag gegeben hat – und die können auch den Unterschied von 250 000 Stimmen zwischen Hernández und Castro nicht ausmachen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 19. Dezember 2013


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