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Risse im Lager der Putschisten

Militär und Polizei gehen in Honduras weiter gegen Demonstrationen vor

Von Wladek Flakin, Tegucigalpa *

Mehr als 1000 Menschen haben am Mittwoch (30. Sept.) in Tegucigalpa für das Recht auf freie Meinungsäußerung und gegen die am Montag erfolgte Schließung des Rundfunksenders Radio Globo und der Fernsehstation Canal 36 durch das Militär demonstriert. »Mit der Zensur gegen oppositionelle Medien und der steigenden Zahl ermordeter Aktivisten erinnert dieses Regime immer mehr an die Diktaturen von Mussolini und Hitler«, sagte Roberto, der seinen vollen Namen nicht nennen wollte, während der Demonstration gegenüber jW. Die Demonstranten forderten eine Aufhebung des Ausnahmezustands, durch den das Regime am vergangenen Wochenende die Grundrechte der honduranischen Bevölkerung außer Kraft gesetzt hat.

Bereits in den frühen Morgenstunden hatte die Polizei das Gebäude des Nationalen Agrarinstituts geräumt, das seit dem Putsch vom 28. Juni durch Bauern und Arbeiter besetzt gehalten worden war. Die Besetzer hatten gegen die Ernennung eines Putschisten zum neuen Direktor des Instituts protestiert; sie wollten eine befürchtete Manipulation oder Vernichtung der in dem Institut archivierten Eigentumstitel verhindern, durch die eine Enteignung der Ländereien armer Bauern möglich werden würde. 57 Menschen wurden im Zuge der Räumung verhaftet.

Der Ausnahmezustand, die Ausgangssperren und Demonstrationsverbote haben in den vergangenen Tagen größere Demonstrationen der Widerstandsbewegung weitgehend verhindert. Trotzdem sollen die Protestaktionen fortgesetzt werden. So wollen Studierende der Autonomen Universität in der kommenden Woche gegen die geplante Erhöhung der Studiengebühren in den Streik treten.

Unter den bisherigen Unterstützern des Staatsstreichs werden weitere Risse sichtbar. Der militärische Chef der Putschisten, Generalstabschef Romeo Vásquez Velásquez, kündigte gegenüber honduranischen Zeitungen eine »baldige« Lösung der Krise an. Ohne genauere Angaben zu machen, sagte er, daß »manche gewinnen und manche verlieren« würden. Auf Ablehnung ist hingegen der vom Industriellenverband ANDI vorgelegte »Kompromißvorschlag« gestoßen, wonach der am 28. Juni gestürzte Präsident Manuel Zelaya sein Amt für wenige Stunden symbolisch wieder übernehmen solle, um es dann an das Militär abzugeben.

Juan Barahona, einer der wichtigsten Anführer der Widerstandsbewegung, betonte erneut, daß eine Verhandlungslösung keinen Verzicht auf die Rückkehr Zelayas in das Präsidentenamt sowie auf die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung beinhalten dürfe. Der Widerstand werde seine Aktionen auf der Straße in jedem Fall fortsetzen, unabhängig von Verhandlungen zwischen der rechtmäßigen Regierung und den Putschisten. »Wenn sie einen Dialog beginnen wollen, muß die Repression beendet werden. Es kann keinen Dialog geben, wenn die Mitglieder des Widerstandes gleichzeitig unterdrückt und von der Polizei verfolgt werden«, betonte Barahona.

* Aus: junge Welt, 2. Oktober 2009


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