Doppelanschlag in Hyderabad
Zahl der Toten auf 16 gestiegen / Schwere Vorwürfe gegen die Regierung
Von Hilmar König *
Zum ersten Mal seit anderthalb Jahren
wurden in Indien wieder tödliche
Bomben gezündet. Wer die Sprengsätze
gebaut hat, war einen Tag nach
dem Doppelanschlag in der Millionenmetropole
Hyderabad nicht klar.
Zwei Bomben waren am Donnerstag
kurz nacheinander in einer belebten
Einkaufs- und Wohngegend explodiert.
Die Zahl der Toten stieg auf 16.
Die indische Opposition erhebt
schwere Vorwürfe gegen die Regierung.
Während in Hyderabad,
der Hauptstadt des südindischen
Bundesstaates Andhra Pradesh,
die Untersuchung zweier Sprengstoffanschläge
von Donnerstagabend
auf Hochtouren lief, kam es
wegen des Verbrechens am Freitag
im indischen Parlament in Neu-
Delhi zum Eklat. Die Opposition
attackierte die Regierung, da die
Polizei nach eigenen Angaben vor
Anschlägen in der Millionenmetropole
gewarnt worden war. Der
kommunistische Abgeordnete Basudev
Acharya kritisierte, nach jedem
Anschlag sei die Rede von einem
Versagen der Geheimdienste.
Im stark frequentierten Hyderabader
Stadtteil Dilsukhnagar
waren am Donnerstag gegen 19
Uhr Ortszeit im Minutentakt zwei
Fahrradbomben gezündet worden.
Das berichtete die Zeitung »Deccan
Herald«. Die in Essensbehältern
versteckten Sprengsätze waren auf
die Gepäckträger zweier Fahrräder
montiert. Die Explosion riss
mindestens 16 Menschen in den
Tod und verletzte 117 Passanten.
Die Detonation war so stark, dass
noch im Umkreis von 100 Metern
Gebäude beschädigt wurden. In
der Nähe sind zwei Kinos, ein Blumen-
und Gemüsemarkt, Bushaltestellen,
Imbisskioske, ein Sai-
Baba-Tempel, der um diese Zeit
von vielen Gläubigen besucht wird,
und mehrere Bildungseinrichtungen.
Die Täter hatten also mit Bedacht
gerade diese Gegend ausgewählt.
Dinesh Reddy, der Generaldirektor
der Polizei Hyderabads, äußerte
gegenüber dem Nachrichtendienst
von »zeenews«, es habe
sich »definitiv um die Arbeit eines
terroristischen Netzwerkes« gehandelt.
Die Anschläge trügen die
Handschrift der militanten Organisation
Indische Mudschahedin.
Die Gruppe gilt als Ableger der berüchtigten
pakistanischen Lashkar-
e-Taiba (LeT), die von den indischen
Behörden als Drahtzieher
des Massakers vom 26. November
2008 in Mumbai betrachtet wird.
Damals waren 166 Menschen getötet
worden. Der einzige überlebende
Attentäter, der Pakistaner
Ajmal Kasab, wurde dafür am
21. November 2012 gehängt.
Obwohl der indische Innenminister
Sushil Kumar Shina am
Freitag nach einem Besuch des
Tatortes erklärte, es sei noch zu
früh, eine Gruppe oder Organisation
zu beschuldigen, überschlagen
sich die Spekulationen in den Medien.
Im Blickpunkt stehen islamistische
Extremisten vom Schlage
der einheimischen Mudschahedin
oder der Jaish-e-Mohammed
und Harkat-ul Jihad al-Islami, beide
in Pakistan beheimatet. Aus
diesen Kreisen waren kürzlich
verstärkte Attacken auf indische
Einrichtungen angekündigt worden.
Die Drohungen folgten der
Hinrichtung Afzal Gurus am
9. Februar in Delhi. Er war wegen
eines dreisten Überfalls auf das indische
Parlament im Jahre 2001
zum Tode verurteilt worden.
Auch in Hyderabad waren unlängst
nach der Festnahme des
Parlamentsabgeordneten Akbaruddin
Owaisi Revancheakte angedroht
worden. Gegen Owaisi wird
wegen einer religiösen »Hetzrede«
ermittelt. Der Fraktionsführer der
islamischen Partei Majlis-e-Ittehadul-
Muslimeen in der Volksvertretung
des Bundesstaates Andhra
Pradesh befindet sich gegen Kaution
auf freiem Fuß. Nach den
jüngsten Sprengstoffanschlägen
appellierte er an die Öffentlichkeit,
Ruhe und Eintracht zu bewahren.
Er verurteile die barbarischen und
unmenschlichen Taten aufs
schärfste. Im Parlament in Delhi
fragte Oppositionsführerin Sushma
Swaraj am Freitag jedoch, ob
es zwischen dem Verbrechen in
Hyderabad und der »Hetzrede«
Owaisis eine Verbindung gebe.
Ob die Untersuchungen nur in
die »islamistische« Richtung gehen
oder auch andere Spuren aufgenommen
werden, wurde bisher
nicht bekannt. Seit langem gibt es
in der Region eine politische Kampagne,
die das Ziel hat, einen beträchtlichen
Teil Andhra Pradeshs
abzuspalten und einen eigenen
Bundesstaat Telangana zu bilden,
auf dessen Territorium Hyderabad
liegen würde.
* Aus: neues deutschland, Samstag, 23. Februar 2013
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