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Botschaft des Todes

Terroristen zündeten in der indischen Hauptstadt fünf Bomben. Mindestens 20 Menschen starben und 100 erlitten Verletzungen

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Wie »Blitz und Donner aus heiterem Himmel«. So beschrieb ein Augenzeuge die Explosion einer Bombe am Samstag abend (13. Sept.) im Zentrum der indischen Hauptstadt. Es war eine von fünf. Insgesamt brachten sie mindestens 20 Menschen den Tod und verletzten etwa 100 Passanten. Es war, wie die Täter, eine ominöse Gruppe namens »Indian Mujahideen« (indische Freiheitskaempfer), es in einem Bekennerschreiben zynisch formulierten, eine »Botschaft des Todes«.

An dem Abend waren in der City Tausende Menschen unterwegs. Monsunschauer hatten die Luft gereinigt und die Temperaturen auf unter 30 Grad sinken lassen. Es war Feierabendzeit, kurz vor Beginn der Festsaison in Indien mit den Hindufeiertagen Nauratri, Dussehra und Diwali und dem muslimischen Id, das das Ende des laufenden Fastenmonats Ramadan markiert. Die Menschen waren auf dem Weg in die Kinos oder wollten Einkäufe machen oder sich einfach in den Parks vergnügen. Nichts deutete darauf hin, daß dieser 13. September zu einem der schwarzen Tage im indischen Kalender werden würde.

Mitten in das entspannte Treiben platzte die »Botschaft des Todes«. In einer knappen halben Stunden gingen zwischen 18.10 Uhr und 18.40 Uhr fünf per Zeitzünder aktivierte Sprengladungen, gefüllt mit Schrauben, Nägeln und Metallsplittern, an verschiedenen Stellen im Zentrum hoch. Sie waren in Abfallkübeln, auf einem Fahrrad und unter einer Motorrikscha deponiert worden. Bei allen Örtlichkeiten handelte es sich um stark besuchte Märkte und Geschäftsstraßen, darunter der berühmte Connaught Place im Herzen Neu-Delhis, die Barakhamba Road, der M-Markt in Greater Kailash-I und der Gaffar Market in Karol Bagh. Allein rund um den Connaught Place drängen sich Hunderte Geschäfte, Restaurants, Hotels, Imbißstaende, Reiseagenturen und über 5000 Büros in- und ausländischer Firmen. Murli Mani, der Vorsitzende des Händlerverbandes vom Gaffar Market, erklärte, daß es in der Nähe der Explosionsstelle etwa 300 Shops gibt. Täglich kommen hierher bis zu 20 000 Kunden.

Obwohl es sich nach Expertenaussagen um Sprengkörper mit »geringer Intensität« handelte, waren deren Explosivwirkung verheerend. Offiziell wurden am Samstag abend 18 Tote registriert. Die Zeitung Hindustan Times meldete am Sonntag 23 Tote und 110 Verletzte. Die Polizei konnte noch am Samstag drei Bomben entschärfen. Alle indischen Spitzenpolitiker und auch der Nachbar Pakistan verurteilten die Terroranschläge als feige, sinnlos und barbarisch, ausgeführt von »Feinden der Menschheit«.

Die Verantwortung für das Verbrechen übernahmen in einer E-Mail an verschiedene Medien die »Indian Mujahideen«. Antiterrorexperten vermuten dahinter die verbotene Islamische Studentenbewegung Indiens (SIMI). Die »Freiheitskämpfer« hatten sich schon zu ähnlichen Anschlägen im Sommer bekannt. Am 26. Juli gab es bei 16 Bombenexplosionen in Ahmedabad 50 Tote, einen Tag zuvor in Bangalore zwei Tote, und etwas später konnten in der gujaratischen Industriestadt Surat Sicherheitskräfte 20 Sprengsätze entschärfen. Ziemlich wirr hieß es in der E-Mail der militanten Gruppe: »Wir schlagen wieder zu. Dieses Mal mit der Botschaft des Todes, euch fürchterlich terrorisierend für eure Sünden. Und so wird mit Allahs Willen unser Versprechen eingelöst. Macht, was immer ihr wollt, und stoppt uns, wenn ihr es könnt.«

Innenminister Shivraj Patil schätzte ein, das Ziel der Terroristen sei, die »soziale Harmonie zu stören.« Er rief zu Ruhe und Besonnenheit auf, während er landesweit die höchste Alarmstufe anordnete. Premier Manmohan Singh bekräftigte, der Herausforderung von Terroristen und Extremisten mit allen Mitteln zu begegnen.

* Aus: junge Welt, 15. September 2008


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