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Prozeß hinter verschlossenen Türen

Indiens Öffentlichkeit fordert Todesstrafe auch für Minderjährigen wegen Vergewaltigung und Mord

Von Hilmar König *

Der am 5. Februar eröffnete Gerichtsprozeß gegen die wegen Vergewaltigung und Mordes angeklagten fünf Männer findet nach wie vor hinter verschlossenen Türen statt. Am Mittwoch bekräftigte Rechtsanwalt Dayan Krishna am Sonderschnellgericht in Delhi-Saket das Verbot der Teilnahme von Medienvertretern an den Verhandlungen. Das sei aus Sicherheits- und Datenschutzgründen erforderlich und um einen zügigen Fortgang des Verfahrens zu gewährleisten.

Von den insgesamt 80 Zeugen machten bislang elf ihre Aussagen. Am Freitag wurde der Hauptbelastungszeuge Avindra Pandey angehört, der an jenem schrecklichen Abend des 16. Dezember 2012 die 23 Jahre alte Studentin Jyoti Singh Pandey begleitet hatte und mit ihr ahnungslos in einen Bus gestiegen war. Beide wurden in dem Fahrzeug von sechs Personen überfallen, darunter der Fahrer und ein Jugendlicher. Nachdem der 28jährige zusammengeschlagen worden war, vergingen sich die Männer mit unvorstellbarer Brutalität an der jungen Frau und mißhandelten sie nach der Vergewaltigung mit einer Eisenstange. Sie erlitt so schwere Verletzungen, daß sie 14 Tage später in einem Krankenhaus in Singapur verstarb. Avindra Pandey, der wegen einer komplizierten Beinverletzung noch im Rollstuhl sitzt, hatte das Fahrzeug und dessen Besatzung bereits vor ein paar Tagen identifiziert. Selbst wenn er all die grausigen Details des beispiellosen Verbrechens am Freitag geschildert haben sollte und Journalisten die Anwesenheit gestattet gewesen wäre, hätten sich deren Federn wahrscheinlich gesträubt, diese Einzelheiten zu notieren.

Die Öffentlichkeit des Landes, vor allem Frauenverbände und die junge Generation, ist och immer schockiert darüber, daß ein derartiges Verbrechen mitten in der indischen Hauptstadt geschehen konnte. Immer wieder machen sie ihrem Ärger über die Laxheit der Polizei bei Anzeigen von Gewalt gegen Frauen, über zu »weiche« Gesetze, zweifelhafte Äußerungen von Politikern und generell fehlenden Respekt gegenüber dem weiblichen Geschlecht Luft.

Interessant ist, daß am Donnerstag laut einem Bericht von Zeenews.com der Behörde für Jugendrecht (Juvenil Justice Board) in Delhi zusätzliches Anklagematerial für den Fall des 17jährigen Mittäters übergeben wurde. Denn vor der Vergewaltigung hatte die Busbesatzung einen Gemüsehändler in das Fahrzeug gelockt und ihn seiner Tageseinnahmen und seines Mobiltelefons beraubt. Der Versuch des Opfers, anschließend bei der Polizei Anzeige zu erstatten, scheiterte. Die Beamten wiesen ihn ab und ergriffen keinerlei Maßnahmen gegen die weiterhin durch Delhi fahrenden Männer. Wäre das jedoch umgehend geschehen, dann hätte das anschließend verübte Vergewaltigungsverbrechen wohl verhindert werden können.

Die Beteiligung des Minderjährigen, über den es heißt, er sei besonders gewalttätig gegenüber der jungen Frau gewesen, soll am 28. Feburar vor einem Jugendstrafgericht zur Sprache kommen. Er ist gegenwärtig in einer Einrichtung für Jugendliche isoliert inhaftiert, um ihn vor anderen Gefangenen zu schützen. Er muß im Höchstfall mit drei Jahren Haft in einer Besserungsanstalt rechnen. Dagegen laufen Gruppen Protestierender Sturm. Sie fordern eine Absenkung des Jugendalters von 18 auf 16 Jahre, damit auch dem 17jährigen wie den fünf erwachsenen Angeklagten die Todesstrafe droht.

* Aus: junge welt, Montag, 18. Februar 2013


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