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Kein Gedanke mehr an Arafat

Indien setzt trotz des Gaza-Kriegs weiter auf Rüstungsgeschäfte mit Tel Aviv

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Indien »als größte Demokratie der Welt«, so schätzen Vertreter der hiesigen Friedensbewegung ein, habe sich während der brutalen israelischen Gaza-Intervention nicht mit Ruhm bekleckert. Außer einer Meinungsäußerung von Premier Manmohan Singh, die er fast beiläufig in ein Treffen mit Offizieren der Marine einflocht, gab es keine offizielle Stellungnahme. Auch bei dieser »Eintagsfliege« vermied der Regierungschef die Vokabeln Aggression und Krieg.

Indien unterhält mit Israel intensive Beziehungen, besonders auf militärischem Gebiet. Zu Zeiten der aktiven Paktfreienbewegung hielt sich Yassir Arafat oft in Neu-Delhi auf und hatte herzliche Begegnungen mit Indira Gandhi. Seine Befreiungsbewegung PLO erhielt effektive Unterstützung. Das war einmal – trotz aller heutigen Solidaritätsbeteuerungen für die Palästinenser von seiten der indischen Regierung. Mitten in Israels Überfall auf die Gaza-Palästinenser gab die Entwicklungsabteilung der staatlichen indischen Rüstungsindustrie (DRDO) bekannt, daß noch im Januar die indo-israelische Kooperation für Entwicklung und Produktion einer Mittelstrecken-Boden-Luft-Rakete beginnen wird. Das System könne 200 Ziele gleichzeitig treffen oder eine Salve mehrerer Raketen auf ein Ziel abfeuern.

Gegen das Artilleriefeuer und die gnadenlosen Bombardierungen in Gaza protestierten in Indien Studenten, muslimische Verbände und religiöse Würdenträger, Friedensaktivisten sowie die Kommunisten und andere Linke. Doch ihre Aktionen spiegelten sich kaum in den Medien wider. Allein die linksliberale, bürgerliche Tageszeitung The Hindu nannte in mehreren Kommentaren das Kind beim Namen. Deren Titel lauteten: »Israelische Aggression gegen Gaza«, »Brutal und sinnlos«, »Pogrom in Gaza«. Am Mittwoch (21.1.) schließlich veröffentlichte das Blatt einen bemerkenswerten Kommentar mit der Überschrift »Waffenruhe in Gaza«. Darin heißt es, die Möglichkeit sei groß, daß der Konflikt wieder aufflammt, denn »die politische Realität in diesem Landstreifen hat sich trotz der mörderischen 21 Tage dauernden israelischen Offensive nicht fundamental verändert«.

Hamas sei in Gaza so stark wie vor den Attacken. Es gebe auch wenig Anzeichen dafür, daß die dortige Bevölkerung sich gegen die regierende Partei wende, nachdem sie solchem intensivem Leid ausgesetzt war. »Israel versucht jetzt, einige politische Punkte aus einer Militäraktion herauszuschlagen, die sinnlos, brutal und international als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden war. Es behauptet, durch die Bestätigung seiner ›Abschreckungsmacht‹ psychologisch Wirkung auf die Bewohner Gazas erzielt zu haben, die fortan die Islamisten von provokativen Schritten abhalten werden«, meint der Kommentator. Das grenzt seiner Auffassung nach an Leichtgläubigkeit. Er urteilt: »Hamas ist eine disziplinierte, gut gefügte Organisation, die ihre Fähigkeit demonstriert hat, die Massen hinter sich zu bringen. Alles deutet darauf hin, daß der Haß der Gazaer auf Israel stärker ist als irgendeine Anschuldigung … «

Die Zeitung resümiert, daß durch Israels Boden- und Luftangriffe mehr als 1300 Palästinenser umgebracht, etliche tausend verletzt und über 25 000 Gebäude zerstört oder beschädigt wurden. »Trotzdem haben, wie erwartet, Tel Avivs Patrone es in Schutz genommen, den UN-Sicherheitstrat daran gehindert zu handeln, und es (Israel) nicht unter dem Völkerrecht für seine Terrorkampagne gegen die Zivilisten in Gaza zur Verantwortung gezogen.« Es bleibe nur die vage Hoffnung auf eine gerechte Lösung des Konflikts.

* Aus: junge Welt, 23. Januar 2009


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