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Indiens Marxisten suchen Alternative

Auf dem 20. Parteitag der KPI(M) werden auch Wahlschlappen analysiert

Von Hilmar König *

Der 20. Parteitag der KP Indiens (Marxistisch) begann am Mittwoch in Kozhikode im südindischen Unionsstaat Kerala. 734 Delegierte aus allen Landesteilen nehmen an dem sechstägigen Kongress teil.

Generalsekretär Karat Prakash rief zu Beginn des Kongresses dazu auf, eine Alternative linker und demokratischer Kräfte zum bestehenden Herrschaftssystem zu schaffen. Kongresspartei und auch rechte Indische Volkspartei (BJP) gefährdeten mit ihrer neoliberalen Politik die nationalen Interessen. »Die Menschen suchen nach einer Alternative. Nur linke und andere säkulare und demokratische Parteien können eine solche Alternative bieten«, sagte Karat.

Der Generalsekretär strich als zentrale Aufgabe heraus, gegen den ausgeprägten Kurs der kapitalistischen Marktwirtschaft zu opponieren und die Massen dagegen zu mobilisieren. Dieser Kurs würde von der Kongresspartei und der BJP gleichermaßen verfolgt. Auch in Bezug auf die verbreitete Korruption gebe es zwischen beiden Parteien keinen Unterschied. Die von ihnen geführten Bündnisse Vereinte Progressive Allianz, die gegenwärtig unter Premier Manmohan Singh die Geschicke des Landes lenkt, und die Nationale Demokratische Allianz der BJP haben versagt, so Karat, die brennenden Probleme wie Preisauftrieb oder Nahrungsmittelsicherheit in den vergangenen zwei Jahrzehnten in den Griff zu bekommen. Sie hätten der Bevölkerung gewaltige Lasten aufgebürdet. Auch die Außenpolitik der Regierung, besonders die strategische Allianz mit den USA, kritisierte er als schädlich für die Souveränität Indiens.

Der Parteitag findet zu einem wichtigen Zeitpunkt für Indiens Linke statt. Seit den Parlamentswahlen 2009, bei denen die KPI(M) 20 von 35 Sitzen in ihrer Hochburg Westbengalen (Hauptstadt: Kolkata) verlor, büßten sie weiter an Boden ein. Besonders schmerzlich war die Wahlniederlage zur örtlichen Volksvertretung im Frühjahr 2011 in ihrer »Roten Festung«. Dort war die KPI(M) seit 1977 ohne Unterbrechung mit einer Linksfront an der Regierung, der auch die KP Indiens, der Vorwärtsblock und die Revolutionäre Sozialistische Partei angehörten. Die Wahlen gewann die regionale kleinbürgerliche Partei Trinamool Congress. Dass Buddhadeb Bhattacharjee, der viele Jahre Chefminister Westbengalens war, aus angeblich gesundheitlichen Gründen nicht am Parteitag in Khozikode teilnimmt, wird von den Genossen als Manko bewertet. Bhattacharjee soll bereits im Oktober vorigen Jahres in einem Brief an Karat seine Absicht bekundet haben, aus Politbüro und ZK auszuscheiden. Auch im Staat Kerala verlor 2011 ein linkes Regierungsbündnis unter Führung der KPI(M) Wahlen.

Der 20. Parteitag steht nun vor der Aufgabe, diese Niederlagen zu analysieren und Schlussfolgerungen zu ziehen. Prakash Karat spannte den Bogen am Vorabend des Kongresses auf einer Pressekonferenz jedoch deutlich weiter und erklärte: »Was wir vom Sozialismus des 20. Jahrhunderts gelernt haben, ist weiterzumachen, das Wertvolle und Wesentliche aufzugreifen und sich der Irrtümer zu entledigen.« Es habe auch »Situationszwänge gegeben, die zu gewissen Praktiken des sozialistischen Aufbaus führten, die wir nicht wieder anwenden können.«

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 5. April 2012


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