Indiens Linke mit Wahlsiegen
Koalition in Westbengalen zum siebenten Mal erfolgreich
Von Hilmar König, Delhi*
Zum siebenten Mal in Folge siegte die Linkskoalition im indischen Unionsstaat Westbengalen bei
Wahlen zum lokalen Parlament. Auch im südlichen Kerala setzte sich die Linksdemokratische Front
klar durch.
Freudentänze, Trommelschlag, Sprechchöre. So feierten am Donnerstag, als die Stimmen noch
gezählt wurden, aber der Trend bereits den 7. Wahlsieg der Linksfront signalisierte, Tausende in der
westbengalischen Metropole Kolkata. Das noch nicht amtliche Endergebnis: 228 von 294
Parlamentssitzen für die KPI(M), die KP Indiens, den Vorwärtsblock und die Revolutionäre
Sozialistische Partei. Das waren sogar 32 mehr als im vorigen Parlament. Auf den Plätzen folgten
abgeschlagen der mit der BJP verbündete Trinamool Congress (33), die Kongresspartei (21) und 11
Sonstige.
Wie alter Wein, so hörte man in Kolkata begeisterte Kommentare, wird die Linksfront von Jahr zu
Jahr besser. Und das, obwohl die Nationale Wahlkommission Entscheidungen getroffen hatte, die
für Westbengalen völlig unüblich waren und Manipulationen und ein »unfaires« Votum verhindern
sollten. Das hatte die politische Opposition den Linken vorgeworfen. Deshalb zogen sich die Wahlen
hier in fünf Etappen über drei Wochen hin.
KPI(M)-Generalsekretär Prakash Karat hatte gegen diesen »Übereifer« der Wahlkommission
protestiert. Die Linken deuteten an, darüber im Parlament in Delhi noch mal ein Wörtchen zu
verlieren. Chefwahlkommissar B. B. Tandon hingegen äußerte am Donnerstag, seine Maßnahmen
hätten sich bewährt, weil es keine Toten, kein Blutvergießen, keine politischen Zusammenstöße
gegeben habe und nur in zwei Wahllokalen eine Wiederholung des Votums nötig sei. Allerdings galt
Westbengalen auch in der Vergangenheit nicht als Paradebeispiel für Wahlchaos.
Wie in Westbengalen setzten sich auch in Kerala die Linken durch: Von 140 Sitzen errang die
Linksdemokratische Front 98, die von der Kongresspartei dominierte Vereinte Demokratische Front
hingegen nur 42. Der Rest ging an Sonstige.
Bereits am 13. Mai sollen die neuen kommunistischen Chefminister in beiden Unionsstaaten
benannt werden. Sitaram Yechury, Mitglied des Politbüros der KPI(M), erwartet von diesem
bemerkenswerten Ergebnis einen weiteren Aufschwung der kommunistischen Bewegung in Indien.
Zum kapitalistischen Wirtschaftskurs von Premier Manmohan Singh sagte er: »Wir unterstützen
Reformen, solange sie dem Volk dienen.« Ein Kurs, den übrigens Westbengalens Chefminister
Buddhadeb Bhattacharjee seit Jahren steuert.
Die Linken traten in den einzelnen Unionsstaaten als Alternative zur Kongresspartei an. Zugleich
unterstützen sie bekanntlich die Singh-Regierung in Delhi »von außen« und sind mit rund 60
Abgeordneten im Zentralparlament ausschlaggebend für deren Fortbestand. Diese nicht ganz
einfache Doppelstrategie verwirrte die Wähler offensichtlich aber nicht.
Nun wird erwartet, dass die Linken stärker als in der Vergangenheit deutlich machen, wo die
Kontrapunkte zur regierenden Vereinten Progressiven Allianz liegen. Problemfelder sind die
Wirtschaftspolitik (Widerstand gegen Privatisierung, gegen Auslandsinvestitionen in bestimmten
Bereichen und gegen Reformen der Arbeitsgesetze) sowie in der Außenpolitik vor allem der
prowestliche Kurs und die immer enger werdende Kollaboration mit den USA.
In Tamil Nadu wird die regionale Partei Dravida Munnetra Kazhagam (160 Sitze), die Partner der
Regierungskoalition in Delhi ist, das Ruder übernehmen. Die Wähler gaben der exzentrischen
bisherigen Chefministerin Jayalalithaa von der AIADMK (73 Sitze) den Laufpass. Ein Gewinn für die
Kongresspartei, deren Präsidentin Sonia Gandhi übrigens bei Nachwahlen in Rae Bareli (Uttar
Pradesh) ihren Parlamentssitz mit einem Vorsprung von 417 000 Stimmen wiedergewann. Sie hatte
ihn im wegen einer Kontroverse um »profitable Ämter« zurückgegeben. In Assam wurde die
Kongresspartei zwar stärkste Einzelpartei, braucht aber zum Regieren wohl Koalitionspartner. In
Pondicherry hingegen bleibt die Regierung der Kongresspartei weiter im Amt.
* Aus: Neues Deutschland, 12. Mai 2006
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