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Ausverkauf der Souveränität

Indiens Linke und bürgerliche Opposition gegen Atompakt mit den USA

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Es kommt selten vor, daß sich Indiens Linke und die bürgerliche Opposition im selben Boot befinden. Doch genau das war jüngst bei der Parlamentsdebatte über den Atomdeal Indiens mit den USA der Fall. Die Regierung der Vereinten Progressiven Allianz sah sich auf einsamem Posten; Premier Manmohan Singh wie auch Außenminister Pranab Mukherjee hatten einen schweren Stand, den Pakt über zivile Zusammenarbeit mit Washington im zivilen Nuklearbereich zu rechtfertigen. Unter Protest verließen die oppositionellen Abgeordneten und die Linken am letzten Tag der Sitzung die kontroverse Debatte.

Außenminister Mukherjee konnte sie mit seinen Argumenten nicht überzeugen. Er plädierte dafür, erst die notwenigen Schritte zur Inkraftsetzung des Paktes – offiziell »123-Abkommen« genannt – zu vollenden. Danach würde die Regierung die Auffassungen der Abgeordneten in Betracht ziehen. Ein ziemlich kurioses Vorgehen, zumal die Mehrheit der Parlamentarier den Deal mit den USA ablehnt.

Der Pakt sieht eine Trennung der zivilen von den militärischen Nuklearanlagen Indiens sowie eine Kontrolle des Zivilsektors durch die Internationale Atomenergieagentur IAEA als Voraussetzung für US-Lieferungen von Atomtechnik und nuklearem Brennstoff vor. Das 123-Abkommen würde Indien erlauben, seine Atomwaffen unangetastet und unkontrolliert zu behalten und gleichzeitig mit moderner Nukleartechnologie zu handeln, ohne die restriktiven internationalen Abkommen unterzeichnet zu haben. Hier aber geht der Streit schon los, denn Washington hat ein besonderes Gesetz, den »Hyde Act«, erlassen, das das gesamte Vertragswerk jederzeit aushebeln kann.

Die Linken sind überzeugt davon, daß sich der Deal negativ auf die Gestaltung einer unabhängigen indischen Außenpolitik auswirkt und daß er Neu-Delhi zum Erfüllungsgehilfen Washingtons bei dessen strategischen Plänen für Asien – und besonders als Gegengewicht zu China – macht. SitaramYechuri von der KPI (Marxistisch) nannte Beispiele, die bereits vor der Inkraftsetzung des 123-Abkommens die Handschrift der USA erkennen ließen. In der Debatte erwähnte er, daß an den jüngsten Beratungen zur Erdgasleitung, die von Iran über Pakistan bis nach ­Indien führen soll, Delhi nicht teilnahm. Obendrein habe die State Bank of India aufgehört, iranischen Firmen Kredite zu gewähren. Eine indische Firma, die mit Iran ein Milliarden-Dollar-Geschäft vorbereitete, sei von Washington informiert worden, ihre Investitionen in den USA seien nicht mehr sicher, sollte sie an dem Projekt mit Teheran festhalten. Das alles deute laut Yechury darauf hin, daß der Pakt viel mehr bedeute als nur nukleare Zusammenarbeit. Der frühere Finanz- und Außenminister Yashwant Sinha von der hindufundamentalistischen Indischen Volkspartei (BJP) versicherte, sollte seine Partei wieder an die Macht kommen, werde sie den 123-Pakt neu verhandeln.

Mehrere Abgeordnete fragten, warum Regierungschef Singh bei seinem kürzlichen Rußland-Besuch in letzter Minute von einem unterschriftsreifen Abkommen über den weiteren Bau von Atommeilern in Tamil Nadu Abstand nahm, wenn die Regierung zur gleichen Zeit doch immer wieder untersteicht, wie wichtig Atomenergie zur Befriedigung des indischen Energiebedarfs ist.

* Aus: junge Welt, 11. Dezember 2007


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