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Pakistans Taliban drohen mit Rache

Indien: Vier Jahre nach dem Mumbai-Attentat ist ein Täter hingerichtet worden

Von Hilmar König *

Die Zeitung The Times of India überschrieb einen ihrer Berichte über die Hinrichtung des pakistanischen Mumbai-Attentäters Ajmal Kasab mit den Worten »Das Leben einer Marionette endet an der Strippe«. Kasab war am Mittwoch im Yerwada-Gefägnis von Pune gehängt worden. Am Donnerstag kannten die indischen Printmedien dann nur dieses Thema.

Am 26. November 2008 war Kasab mit neun Komplizen auf einem gekaperten Boot aus Pakistan kommend in Mumbai an Land gegangen. Die Bande versetzte die indische Finanzmetropole drei Tage lang in Angst und Schrecken und ermordete mehr als 160 Menschen. Von den indischen Sicherheitskräften wurde nur Kasab lebend gefangengenommen. Der Gerichtsprozeß gegen ihn zog sich über zwei Jahre hin. Auf 11000 Seiten wurde in 86 Punkten Anklage erhoben, darunter Mord sowie Kriegführung gegen Indien. Im Mai 2010 wurde das Todesurteil verkündet, nun erfolgte die Hinrichtung.

Indiens Außenminister Salman Khurshid kommentierte die Exekution, Neu-Delhi habe der Weltöffentlichkeit eine »unmißverständliche Botschaft« geschickt, daß Terroristen in Indien keine Gnade zu erwarten haben. Nur einen Tag zuvor hatte Indien in der UN-Vollversammlung gegen einen Antrag gestimmt, der sich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe aussprach und mit 110 gegen 39 Stimmen bei 36 Enthaltungen angenommen wurde.

In den Medien wurde die Hinrichtung Kasabs nahezu einhellig begrüßt: Er sei ein Paradebeispiel dafür, daß Indien an der Todesstrafe festhalten müsse. Während in Mumbai und anderen Orten Menschen nach Vollstreckung des Urteils auf den Straßen tanzten, Süßigkeiten verteilten und den »Sieg« feierten, verwiesen besonnene Stimmen aber darauf, daß der Attentäter zwar gnadenlos gehandelt habe, jedoch nur ein kleines Licht, eben eine Marionette in den Händen der militanten pakistanischen Organisation Lashkar-e-Taiba gewesen sei. Deren führende Köpfe würden in Pakistan noch immer frei herumlaufen. Neu-Delhi dürfe nun in seinem Druck auf Islamabad nicht nachlassen, damit die Drahtzieher des Terrornetzwerkes bestraft werden. Das »Kapitel 26.11.« sei mit Kasabs Hinrichtung längst nicht abgeschlossen.

Das Blutbad in Mumbai hatte die Beziehungen zwischen beiden Nachbarländern stark beschädigt. Von einer Normalisierung oder gar einem guten Verhältnis sind die beiden Atommächte noch weit entfernt. Erst in diesem Jahr entspannte sich die Beziehung wieder etwas, kam es zu Gesprächen auf höchster Ebene, zu Besuchen von Ministern, zu Abkommen über Erleichterungen bei der Ausstellung von Visa. Eine der bemerkenswertesten Maßnahmen war die politische Entscheidung, die nationalen Teams der in beiden Ländern überaus beliebten Sportart Kricket wieder gegeneinander antreten zu lassen. Auch mit der offiziellen Reaktion Islamabads, das über die Hinrichtung am Abend zuvor unterrichtet worden war, die Überführung des Leichnams aber ablehnte, kann Neu-Delhi zufrieden sein: Pakistan verurteile Terrorismus in all seinen Formen. Ehsanullah Ehsan, der Sprecher der pakistanischen Taliban, hingegen schwor Rache. Man werde überall in Indien Anschläge verüben, drohte er.

* Aus: junge Welt, Freitag, 23. November 2012


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