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Der Rüstungswettlauf geht weiter

Militärs Indiens und Pakistans feiern Erfolge bei der Raketenabwehr

Von Hilmar König, Delhi *

Parallel zu ihrem Friedensdialog setzen Indien und Pakistan ihren Rüstungswettlauf unbeirrt fort. Am Montag unternahm Indien den ersten Schritt hin zu einem Raketenabwehrsystem. Am Dienstag antwortete der Nachbar mit dem Test einer Mittelstreckenrakete, die Nuklearsprengköpfe tragen kann.

Während Pakistans Außenminister Khurshid Mahmud Kasuri in Delhi nach einem privaten Mittagessen mit seinem indischen Amtskollegen Pranab Mukherjee vor Journalisten die Bedeutung gegenseitigen Vertrauens unterstrich, starteten im fernen Unionsstaat Orissa im Sekundenabstand zwei Prithvi-Raketen mit besonderer Mission. Erstmals sollte die eine die andere im Flug abfangen. In 50 Kilometern Höhe gelang das Vorhaben.

Nicht nur die Organisation für Forschung und Entwicklung des Verteidigungssektors (DRDO), sondern die Politiker quer durch alle Lager, ja die ganze Nation, zeigten sich enthusiastisch über den Erfolg. Parlamentspräsident Somnath Chatterjee gratulierte am Mittwoch Militärs und Technikern zum »neuen Meilenstein in Indiens Luftverteidigung«. M. Natarajan, der wissenschaftliche Berater des Verteidigungsministers, äußerte, Indien habe nun die Fähigkeit erworben, sich gegen die Bedrohung eindringender ballistischer Raketen zu wehren.

Das Abfangen und Zerstören der Rakete gilt als erster Schritt zu einem indischen Raketenabwehrsystem. In den 1990er Jahren hatte Delhi mit einem russischen System geliebäugelt, dann aber im Jahre 2002 zwei israelische Radars vom Typ Green Pine aus dessen Arrow-System gekauft. Angeblich bildeten diese den Ausgangspunkt für die Entwicklung eines indischen Raketenschildes. Allerdings muss bis dahin nach Expertenansicht noch eine beträchtliche Wegstrecke zurückgelegt werden. Zwei Tage später kam die pakistanische Reaktion, nicht in der gleichen Qualität, aber doch gewichtig genug, auch Schlagzeilen für die indischen Medien zu liefern.

Das Kommando der strategischen Streitkräfte Pakistans feuerte am Mittwoch eine Rakete vom Typ Hatf-4 ab, die auch als Shaheen-I bekannt ist. Sie soll ihr Ziel »akkurat« erreicht haben und hat eine Reichweite von 700 Kilometern. Diese Übung folgte einem ebenfalls im November durchgeführten Test von Hatf-5 aus dem Ghauri-System, ballistischen Raketen, die eine Distanz bis zu 1300 Kilometern zurücklegen und damit viele indische Städte erreichen könnten. General Ehsan ul-Haq, der Chef des Vereinten Militärkommandos, zeigte sich nach dem Shaheen-Test »stolz auf die Verteidigungsfähigkeit Pakistans und die Zuverlässigkeit seiner nuklearen Abschreckung«.

Beide Nachbarstaaten gelten seit ihren Atombombenversuchen im Mai und Juni 1998 als Nuklearstaaten außerhalb der entsprechenden internationalen Abkommen. Indien wartet darauf, dass von den USA endgültig ein Pakt über nukleare Zusammenarbeit im zivilen Bereich besiegelt wird, der das Atomwaffen- und Raketenprogramm Indiens jedoch nicht berührt. Pakistan versucht, etwas Ähnliches mit dem traditionellen Freund China zustande zu bringen.

Auch wenn seit dem Frühjahr 2004 zwischen Indien und Pakistan ein mühsamer Dialog zur Vertrauensbildung, Entspannung und der Lösung zahlreicher bilateraler Probleme, darunter besonders hartnäckig des Kaschmirkonflikts, im Gange ist, hält das Wettrüsten beider Nachbarn an.

* Aus: Neus Deutschland, 1. Dezember 2006


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