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Aufrüstung in Asien

Scharfe Kritik an Waffenmesse in Indien

Von Hilmar König, Delhi *

Während dieser Tage in Delhi auf Asiens größter Rüstungsmesse Defexpo 2010 unter starker ausländischer Beteiligung Geschäfte gemacht wurden, kritisierte die indische Zivilgesellschaft mit einer Reihe von Veranstaltungen die zunehmende Militarisierung des Landes.

Zur Eröffnung der Defexpo hatte Verteidigungsminister Antony unterstrichen, dass Indien nicht nur als Käufer, sondern in zunehmendem Maße auch als Produzent und Lieferant auf dem Rüstungsweltmarkt in Erscheinung treten wolle. Die Regierung strebe die Selbstversorgung mit modernen Waffensystemen durch verstärkte Kooperation zwischen dem -- bislang dominierenden -- staatlichen Sektor und privaten Unternehmen in der Rüstungsindustrie an. »Obwohl traditionell als friedliebende Nation bekannt, sind wir bereit, jeder Herausforderung für unsere territoriale Integrität und Souveränität zu begegnen.« Die Rüstungsausgaben, die gegenwärtig 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen, sollen proportional zum erwarteten Wirtschaftswachstum zwischen acht und zehn Prozent steigen.

Auf der 6. Defexpo präsentierte sich Indien denn auch als attraktiver Markt für Rüstungsinvestitionen. Neben mehr als 50 einheimischen Unternehmen lockte die Ausstellung Produzenten, Lieferanten, Händler, Technologiebereitsteller und Dienstleister von 650 ausländischen Firmen aus 35 Staaten, darunter die USA, Großbritannien, Russland, die Ukraine, Frankreich und Israel. Die VR China war nicht anwesend, dafür jedoch Taiwan.

Auch wenn sich die Rüstungsmesse vor allem mit Waffensystemen für die Landstreitkräfte und die Marine befasste, war sie auch für Indiens Air Force von beträchtlicher Bedeutung, geht es hier doch um einen Zehn-Milliarden-Dollar-Deal. Delhi steht vor dem Kauf von 126 Kampfflugzeugen. Die in Frage kommenden namhaften Hersteller zeigten auf der Defexpo allesamt Flagge und wetteiferten darum, den Zuschlag für das Milliardengeschäft zu bekommen. Die Organisation für Forschung und Entwicklung im Verteidigungssektor, das führende staatliche Unternehmen Indiens auf diesem Gebiet, sah in der Waffenschau eine letzte Gelegenheit zu Anregungen für ihre 34. Jahreskonferenz, die in dieser Woche beginnt.

Die Kehrseite der Medaille zeigte die von 21 indischen Zivilverbänden organisierte und von den Medien völlig ausgeblendete, parallel zur Defexpo stattfindende Abrüstungskonferenz mit zahlreichen Workshops, Mahnwachen, Aufmärschen, Konzerten und Meetings. Dabei ging es um konkrete Abrüstung, nachhaltigen Frieden, um Sicherheit und Entwicklung. Es war das erste Mal, dass die indische Zivilgesellschaft eine solche Gegenveranstaltung durchführte. Sie wollte damit an die Regierung appellieren, der Wohlfahrt Vorrang vor Waffengerassel zu geben, und auf die Konsequenzen von teurem Waffenhandel und Wettrüsten für das Lebensniveau der indischen Bevölkerung verweisen.

In einer Pressemitteilung der Veranstalter hieß es, dass Indiens Militärausgaben zu den höchsten in der Welt zählten und das Land nach 61 Jahren der Unabhängigkeit noch immer nicht in der Lage sei, mit dem Armutsproblem fertig zu werden. Das Verteidigungsbudget sei acht Mal größer als die Ausgaben für sauberes Wasser und den Sanitärbereich. Binalakshmi Nepram, Generalsekretärin der Stiftung Waffenkontrolle in Indien, erklärte dazu: »Wenn Menschen wegen schlechter Ernährung und mangelnder Hygiene sterben, welchen Schutz bieten ihnen dann Waffen?« Der globale Handel, der die Epidemie bewaffneter Gewalt nährt, unterliege keinem internationalen Reglement. Die Waffenindustrie operiere ohne Regulierung. »Deshalb fordern wir dazu auf, so schnell wie möglich einen Vertrag über den Waffenhandel abzuschließen.«

* Aus: Neues Deutschland, 24. Februar 2010


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