Strom wird knapp in Indien
Energiekrise trifft die wirtschaftlich stärksten Regionen des Landes
Von Thomas Berger *
Stromknappheit führt in drei südindischen Unionsstaaten zu extremen
Maßnahmen und könnte längerfristig das hohe Wirtschaftswachstum
gefährden. Die Regionalregierungen haben nun zeitweise
Komplettabschaltungen angeordnet.
Indien rühmt sich, in verschiedenen Bereichen mittlerweile Anschluss an
die sogenannte »Erste Welt« gefunden zu haben. Die Energieversorgung in
dem Schwellenland gehört, vor allem hinsichtlich der Verlässlichkeit,
allerdings nicht dazu. Das zeigen auch die jüngsten Meldungen aus dem
mittleren Süden, die von einer akuten Notlage berichten. Verschärft
durch äußere Umstände wie eine Hitzewelle mit anhaltender Trockenheit,
kommt die Stromproduktion in mehreren Teilstaaten nicht mehr hinterher.
Um einen völligen Zusammenbruch zu verhindern, sind seitens der
Regionalregierungen jetzt zeitweise Komplettabschaltungen angeordnet
worden, um bis zu 20 Prozent des Verbrauchs einzusparen.
Betroffen sind Maharashtra mit der 20-Millionen-Metropole Mumbai
(Bombay) an der Westküste, der größten Stadt des Subkontinents, ebenso
wie das IT-Zentrum Bangalore im südlichen Nachbarstaat Karnataka. Und
auch in Andhra Pradesh laufen bereits die bislang ungewöhnlichen
Notmaßnahmen an. Die Krise ist allerdings größtenteils hausgemacht. Die
bisweilen überalterten und störanfälligen Anlagen der Versorger sind
nicht in der Lage, mit der rapide steigenden Nachfrage seitens privater
Verbraucher und vor allem der Großabnehmer aus der Wirtschaft Schritt zu
halten. Kraftwerke sind teilweise wegen Reparaturen außer Betrieb oder
fahren nur mit reduzierter Leistung. In Maharashtra sprechen die Zahlen
eine deutliche Sprache. Lag noch im Vergleichsmonat des Vorjahres die
Stromnachfrage bei 10 666 Megawatt, konnten die Erzeuger im Durchschnitt
12 800 Megawatt Leistung bereitstellen. Anders im Juli 2008: Während der
Bedarf inzwischen auf 14 000 Megawatt gestiegen ist, können gerade
einmal 9000 Megawatt geliefert werden.
Die Ausfälle und Zwangsabschaltungen führen nun Politikern ebenso wie
den Managern vor Augen, wo zuweilen Grenzen ungehinderten Wachstums
liegen. AB Pandey, der Geschäftsführer des Stromversorgers Mahavitaran,
kündigte generell eine Stunde längere Abschaltungen als üblich an.
Mehrere Industrieparks würden sogar bis zu 40 Stunden am Stück ohne
Strom dastehen. Sollten Shoppingcenter und IT-Firmen ihre auferlegten
Einsparziele von zehn bis 20 Prozent nicht erreichen, drohen auch ihnen
Zwangsabschaltungen. Staatsfirmen und öffentliche Einrichtungen wurden
ebenfalls aufgefordert, den Verbrauch um zehn Prozent zu drosseln, um
die Krise zu meistern.
In Bangalore, wo sich die Einwohner zuletzt an weitgehende
Versorgungssicherheit gewöhnt hatten, droht ein Ausfall von bis zu einem
Fünftel. Welchen Einfluss die Unsicherheiten auf das Wirtschaftswachstum
2008 letztlich haben werden, lässt sich noch nicht beziffern. Da Indien
aber wie viele Nationen ringsum auch stark unter den erheblich
gestiegenen Nahrungs- und Treibstoffpreisen zu leiden hat, dürfte
diesmal bestenfalls eine Sieben vor dem Komma stehen, sofern der
Einbruch nicht noch deutlich stärker ausfällt.
* Aus: Neues Deutschland, 4. August 2008
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