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Positives Signal aus Islamabad

Pakistan verurteilt Freilassung des Mumbai-Attentäters

Von Hilmar König, Neu Delhi *

Pakistans Regierung hat am Montag im Zusammenhang mit dem Terroran-schlag in Mumbai vom November 2008 gegen eine wichtige Gerichtsentscheidung Stellung bezogen. Der Appell könnte dazu beitragen, den seit über einem halben Jahr unterbrochenen Friedensdialog mit Indien wieder anzuschieben.

Sowohl die Zentralregierung in Islamabad als auch die Regierung der Provinz Punjab haben sich in getrennten Appellen an den höchsten Gerichtshof Pakistans gewandt, um ein Urteil des Gerichts in Lahore vom 2. Juni zu revidieren. Darin hatten die Richter den Hausarrest gegen Hafiz Mohammad Said aufgehoben. Er ist der Chef der Jamaat-ud-Dawa. Diese »Wohltätigkeitsorganisation« gilt als Nachfolgerin der Terrorgruppe Lashkar-e-Taiba, die Said 1990 gegründet hatte. Sie war im Jahre 2002 verboten worden und fungierte bis dahin als Speerspitze von Attacken im indischen Teil Kaschmirs. Die Inder sind der festen Überzeugung, dass Lashkar-e-Taiba unter dem Deckmantel der Jamaat-ud-Dawa weiter operiert. Sie verfügen angeblich über Indizien, dass diese Organisation und ihr Kopf maßgeblich an der Durchführung der Mumbai-Tragödie, bei der 166 Menschen getötet wurden, beteiligt waren. Deshalb war Said unter Hausarrest gestellt worden. Das Gericht in Lahore hatte ihn aus Mangel an Beweisen frei gelassen.

Delhi empfängt nach Aussagen von Außenminister S.M. Krishna widersprüchliche Signale aus Islamabad. Einerseits die Meldung von dem offiziellen Appell. Andererseits sind die gerichtlichen Untersuchungen zur Beteiligung von fünf festgesetzten Lashkar-e-Taiba-Operateuren an dem Terrorschlag in Mumbai zum Stillstand gekommen. Außenminister Krishna äußerte deshalb, man verfolge die Entwicklung »sehr behutsam« und »verantwortungsbewusst«. Was allein zähle, seien »sichtbare und glaubwürdige Handlungen« gegen die Verbrecher und ihre Hintermänner. Obwohl der Dialog seit November 2008 auf Eis liegt sagte der Minister, Indien habe niemals Gespräche mit Pakistan abgelehnt, sondern eine konsequente Position bezogen, nämlich über Terrorismus zu diskutieren. Das sei übrigens auch ein Hauptthema beim bevorstehenden Besuch der USAußenministerin Hillary Clinton in Delhi. Fast gleichzeitig erinnerte der pakistanische Außenminister Shah Mehmud Quereshi daran, dass der im Frühjahr 2004 vereinbarte Friedensdialog mit dem Nachbarn umfassend und das Kaschmirproblem darin ein wichtiger Bestandteil sei.

Ob der Appell Bewegung in die festgefahrenen bilateralen Beziehungen bringt, bleibt abzuwarten. Auf alle Fälle ist er ein positives Zeichen Islamabads vor der Begegnung von Präsident Asif Ali Zardari und Indiens Premier Manmohan Singh auf der Gipfelkonferenz der Blockfreien, die noch in diesem Monat in Ägypten stattfinden soll. Beide hatten sich kürzlich während des Gipfels der Schanghai-Kooperationsorganisation im russischen Jekaterinburg erstmals getroffen. Der indische Regierungschef wirbelte dabei ziemlichen Staub mit dem rüden Hinweis auf, »dass das Territorium Pakistans nicht für terroristische Aktionen gegen Indien benutzt werden darf«. Die Pakistaner waren überrascht, dass der als überaus höflich und zurückhaltend geltende indische Politiker einen solchen Ton anschlug, zumal in aller Öffentlichkeit vor laufenden Fernsehkameras. Im pakistanischen Außenministerium wurde das später als »inakzeptabel« zurückgewiesen.

Aus indischer Sicht brachte Singh nur auf den Punkt, was Delhi bislang als Hindernis für die Wiederaufnahme des Friedensdialogs ansieht: Pakistan geht nach dem blutigen Terrorschlag vom 26. November 2006 in Mumbai nicht entschieden genug gegen die Drahtzieher vor. Die Verantwortlichen müssten konsequent zur Rechenschaft gezogen werden und Pakistan seine gesamte terroristische Infrastruktur zerstören. Premier Singh versicherte Anfang Juni vor dem Parlament, wenn das geschehe, sei Indien bereit, Pakistan »mehr als die halbe Wegstrecke entgegen zu kommen«. Bei dem Treffen in Jekaterinburg hat Präsident Zardari angeblich nachdrücklich darauf verwiesen, dass sich Pakistans gegenwärtiger Kampf gegen die Taliban im Nordwesten des Landes in der entscheidenden Phase befinde. Man brauche etwas mehr Zeit, ehe man sich intensiver mit den Mumbai-Verbrechern befassen könne. Inoffiziell soll eine entsprechende Frist nun bis zum Blockfreien-Gipfel im ägyptischen Sharm-el-Sheikh laufen. Eventuell fällt dort der Startschuss zur Wiederaufnahme der Verhandlungen.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Juli 2009


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