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Atomdeal mit den USA beschäftigt Indien

Nicht nur Linke lehnen das Abkommen ab

Von Hilmar König, Delhi *

Wenn in Indien am Freitag (10. Aug.) die Monsun-Sitzung des Parlaments beginnt, ist eine hitzige Debatte zu erwarten: Zur Diskussion steht der vorige Woche veröffentlichte Text des Vertragsentwurfs über die Kooperation mit den USA im zivilen Nuklearsektor.

Auf einer gemeinsamen Sitzung am Dienstag (7. Aug.) beschlossen die linken Parteien, die die Regierung der Vereinten Progressiven Allianz »von außen« unterstützen, den Vertragsentwurf nicht zu akzeptieren. Sie verlangen, im Parlament alle strategischen Aspekte Indiens in den Beziehungen zu den USA zu überprüfen. Und sie wollen sich dafür einsetzen, die Verfassung zu ergänzen, damit so wesentliche Abkommen wie das mit den USA künftig von der Volksvertretung abgesegnet werden müssen. Der Vertragstext, schätzen die Linken in einer Erklärung ein, dürfe nicht isoliert betrachtet werden.

Vielmehr müssten »seine Auswirkungen auf Indiens unabhängige Außenpolitik und die strategische Autonomie sowie der Kontext zum Bemühen der USA, Indien zum verlässlichen Verbündeten in Asien zu machen, berücksichtigt werden«. Die Linken raten der Regierung, nicht am Abkommen festzuhalten.

Das Vertragswerk basiert auf Indiens Bereitschaft, seine militärischen von den zivilen Nuklearanlagen zu trennen, den zivilen Atomarbereich regelmäßigen Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu unterstellen und dafür von den USA moderne Reaktorausrüstungen zu bekommen. 15 Atommeiler sind in Indien in Betrieb, 8 im Bau. Sie sollen wesentlich zur Steigerung der Energieproduktion beitragen.

Zu diesen Kernpunkten bestand Einvernehmen. Bis zur letzten Runde jedoch blieben entscheidende Einzelfragen offen: Indiens Recht, von den USA gelieferten Brennstoff wiederaufzubereiten; eine USA-Garantie für den ununterbrochenen Betrieb der Kernreaktoren sowie die Gewissheit, dass außer den IAEA-Inspektoren nicht auch noch USA-Kontrolleure auftauchen.

Diese Fragen scheinen bei der letzten Verhandlungsrunde im Juli in Washington für Indien befriedigend beantwortet worden zu sein. Von den Atomwissenschaftlern, die in das Verhandlungsteam einbezogen und zu allen diffizilen Punkten konsultiert worden waren, ist jedenfalls keine Opposition mehr zu vernehmen. Die Regierung zeigt sich überzeugt, das Bestmögliche für Indien herausgeholt zu haben.

Gleich nach Veröffentlichung des Vertragstextes reagierte die rechte Indische Volkspartei (BJP) ablehnend. Wenn sie wieder an die Macht käme, so der frühere Außenminister Yashwant Sinha, würde sie eine Überprüfung des Abkommens anstreben. In der jetzigen Form sei es ein »Angriff auf unsere nukleare Souveränität und Außenpolitik«, befand Sinha. Er regte die Bildung einer parlamentarischen Kommission an. Deren Untersuchungsergebnis solle bindend sein.

Der ehemalige Premier Vishwanath Pratab Singh glaubt, das Abkommen »ignoriert vitale nationale Interessen und verstärkt die Abhängigkeit von den USA«. Ehemalige Außenpolitiker und Diplomaten hingegen meinen, dass Indien sich genügend Spielraum für seine militärischen und zivilen atomaren Pläne gesichert habe.

Konsultationen mit der IAEA zum »indienspezifischen« Kontrollregime sowie Beratungen mit den Staaten der sogenannten nuklearen Liefergruppe (NSG) sind als nächste Schritte vorgesehen, die keineswegs reibungslos verlaufen dürften. Die NSG spielt eine Rolle für die Lieferung von Komponenten für Indiens zivilen Atomsektor. Aus ihren Reihen kommen unterschiedliche Signale. Nicht allen gefällt, dass Washington mit einem Land kooperieren will, das weder den Atomwaffensperrvertrag noch das Teststoppabkommen unterzeichnet und bereits zwei Atombombenversuche unternommen hat. Nicht alle begrüßen, dass die USA – aus Geschäftsinteressen und weil sie Indien als strategisches Gegengewicht zur Volksrepublik China aufbauen wollen – den Nuklearsektor in einer Krisenregion fördern.

*Aus: Neues Deutschland, 9. August 2007


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