Gefährliche Geheimniskrämerei
Indiens Premier nach USA-Reise in der Kritik
Von Hilmar König, Delhi*
Die dieser Tage von Premier Manmohan
Singh und USA-Präsident George
W. Bush in Washington unterzeichnete
gemeinsame Erklärung stößt in Indien
auf breite Kritik.
Ob Linke oder hindunationalistische
Indische Volkspartei (BJP), ob
Wissenschaftler oder Strategieexperten
– von allen Seiten hagelt es
Vorbehalte gegenüber den Resultaten
der USA-Reise des indischen
Premierministers Manmohan
Singh. Drei Themen stehen im Zentrum
der Kritik. Da ist erstens der
so genannte nukleare Deal, in dem
sich Indien bereit erklärt, seine militärischen
von den zivilen Nukleareinrichtungen
zu trennen. Die zivilen
Anlagen sollen für Inspektionen
der Internationalen Atomenergie-
Organisation (IAEA) geöffnet werden,
wenn die USA ihre 1974 nach
dem ersten indischen Atom-Test initiierten
und 1998 nach der zweiten
Testserie verschärften Restriktionen
gegenüber dem zivilen Atomsektor
Indiens aufheben. Die Regierung
in Delhi bewertet das als
Durchbruch der Jahrzehnte langen
Isolation auf diesem Gebiet.
Ex-Premier und BJP-Spitzenpolitiker
Atal Bihari Vajpayee
glaubt jedoch, es sei unmöglich und
viel zu kostspielig, zivile und militärische
Nuklearanlagen voneinander
zu trennen. Außerdem werde mit
einem solchen Schritt das bisher allein
von Delhi festgelegte Ausmaß
der »nuklearen Abschreckung« gefährdet.
Auch die Linken meinen, Indien
lege sich auf diesem Gebiet selber
Fesseln an. Nilopat Basu von der
KPI(Marxistisch) richtete die Aufmerksamkeit
aber auch auf ein
zweites umstrittenes Thema: das
separat vereinbarte Dokument über
eine globale indisch-US-amerikanische
»Demokratieinitiative«. Angesichts
des von den USA in Irak brutal
betriebenen »Demokratieexports
« hält Basu dieses Dokument
für gefährlich und unvereinbar mit
den traditionellen Prinzipien indischer
Außenpolitik.
Als inakzeptabel kritisieren die
linken Parteien, dass die Regierung
erneut in einer fundamentalen Frage
nationaler Sicherheit die öffentliche
Debatte gescheut und sogar Koalitionspartner
vor vollendete Tatsachen
gestellt hat. Selbst Raja Mohan,
namhafter Kolumnist mit offener
Sympathie für die USA, monierte
diese Art von Geheimniskrämerei,
die auch schon von Ex-Premier
Vajpayee gepflegt wurde.
Der dritte Einwand bezieht sich
auf die geplante Gaspipeline von
Iran über Pakistan nach Indien, mit
der Washington aus politischen,
geostrategischen und ökonomischen
Gründen nicht einverstanden
ist. Premier Singh äußerte zu diesem
wichtigen regionalen Energieprojekt
gegenüber der »Washington
Post« erstmals Zweifel. Das Vorhaben
sei mit vielen Risiken verbunden,
die Situation in Iran sei von
Ungewissheiten gekennzeichnet
und es sei fraglich, ob sich ein internationales
Bankenkonsortium findet,
das dieses Projekt finanziert.
Das sind neue Töne, die im Zusammenhang
mit der in Aussicht gestellten
Kooperation mit den USA
im Atomenergiesektor stehen könnten.
Der Premier sollte klären, fordern
die linken Parteien, ob seine
Bemerkungen den Rückzug aus
dem Erdgas-Projekt signalisieren.
* Aus: Neues Deutschland, 25. Juli 2005
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