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Abfuhr für britisches Bergbauunternehmen

Rohstoffriese darf in Indien kein Bauxit abbauen. Umweltgefahr durch andere Projekte

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Aufatmen bei den Dongria Kondh. Die indigene Gemeinschaft im ostindischen Bundesstaat Odisha (früher Orissa) hat Grund zum Feiern, denn dieser Tage errang sie einen bemerkenswerten Sieg gegen den britischen Rohstoffriesen Vedanta Resources. Das Forst- und Umweltministerium in Neu-Delhi erteilte den Plänen des Bergbauunternehmens, in den heiligen Niyamgiri-Bergen Bauxit abzubauen, eine Abfuhr.

Dieser erfreulichen Entscheidung stehen allerdings Beschlüsse desselben Ministeriums gegenüber, die Umweltschützern Sorgen bereiten. Der Ende Dezember 2014 installierte neue Umweltminister Veerappa Moily, der zugleich das Ressort für Angelegenheiten der Unternehmen (Corporate Affairs) leitet, vermittelt den Eindruck, daß ihm die Belange der Industrie und des Bergbaus mehr am Herzen liegen als Natur und Umwelt. Die Dongria Kondh konnten sich nur deshalb durchsetzen, weil das Höchste Gericht Indiens eingeschritten war und angeordnet hatte, in den zwölf Siedlungen in der Nähe der geplanten Mine eine Befragung der indigenen Bevölkerung durchzuführen. Vedanta hatte bereits am Fuß der Berge eine Aluminiumraffinerie gebaut und damit fast vollendete Tatsachen geschaffen. Doch die Dongria Kondh wollten sich ihren Lebensraum nicht zerstören und die heiligen Niyamgiri nicht entweihen lassen. Deshalb fiel das Referendum trotz enormen Drucks der Bergbaulobby eindeutig aus: Nein zum Tagebau. Dem mußte jetzt das Forst- und Umweltministerium Rechnung tragen.

Sehr viel schneller als bei dieser Entscheidung gab Minister Moily innerhalb einer einzigen Woche grünes Licht für sechs Infrastrukturprojekte, die zuvor je nach Standpunkt aus »guten Gründen« oder »ohne erkennbare Gründe« in den Schubladen seiner Vorgängerin Jayanthi Natarajan verschwunden waren. Es sind zwei Kohlekraftwerke, zwei Bergbauprojekte, ein Hafen und eine Erdölleitung. Wirtschaft und Industrie applaudieren, daß der neue Besen so gründlich kehrt und im Eiltempo die Umweltverträglichkeit der teils enormen Investitionsvorhaben bestätigt. Auch die oppositionelle Indische Volkspartei (BJP), deren Spitzenkandidat für das Amt des indischen Premiers der unternehmerfreundliche Narendra Modi ist, zeigt sich begeistert und schickte der entlassenen Frau Natarajan ein paar nicht sehr freundliche Abschiedsworte hinterher. Modi ist der gegenwärtige Chefminister des Bundesstaates Gujarat, in dem Frau Natarajan einige Großprojekte wegen Verletzung der Umweltnormen blockiert oder nachträglich mit empfindlichen Strafen belegt hatte.

Um Investoren und Unternehmer bei Laune zu halten, erteilte das Umweltministerium zeitgleich mit der Entscheidung gegen Vedanta die Umweltgenehmigung für ein Stahlwerk des südkoreanischen Großunternehmens POSCO. Es will in Odisha acht Millionen Tonnen Stahl im Jahr produzieren. Mit einem cleveren Schachzug koppelte das Ministerium erst einmal andere Komponenten des verzweigten POSCO-Engagements im Wert von mehreren Milliarden Dollar ab, so den Bau eines Hafens und einige Minen, und machte damit die Genehmigung möglich. Das Eisenerz bzw. der Fertigstahl sollen nach Korea verschifft werden.

Schlagzeilen lieferte Moily bereits vier Tage nach seiner Amtsübernahme, als er den Entwurf zur Einrichtung einer Naturschutzzone in den ökologisch bereits schwer geschädigten Höhenzügen der Westghats auf Eis legen ließ. Er möchte sich erst die Kommentare der Chefminister der sechs betroffenen Bundesstaaten anhören. Sie alle stehen einer solchen Zone kritisch gegenüber.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 16. Januar 2014


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