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Kejriwal gegen Modi

indunationalistische BJP will bei »Miniparlamentswahl« in Delhi an Erfolge anknüpfen. Der Ausgang ist offen

Von Hilmar König/Neu-Delhi *

In Delhi finden am 7. Februar Wahlen zur gesetzgebenden Versammlung statt. 13 Millionen Menschen sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben – nicht nur in der Metropole selbst, sondern auch in der dazugehörigen ländlichen Region. Die Abstimmung in dem sogenannten Unionsterritorium, das im Gegensatz zu den Bundesstaaten direkt der Zentralregierung unterstellt ist, bezeichneten Medien bereits als »Miniparlamentswahl«. Arvind Kejriwal, der Chef der »Aam Aadmi Party« (»Partei des kleinen Mannes«, AAP), fordert Premier Narendra Modi, das Aushängeschild der »Indischen Volkspartei« (BJP), heraus.

Indiens oberster Wahlkommissar hatte am Montag den 7. Februar als Wahltermin kaum verkündet, da wurden bereits die Ergebnisse der ersten Meinungsumfragen veröffentlicht. Das deutet darauf hin, dass die Bedeutung dieser Wahl weit über den Rahmen des Hauptstadtgebietes hinausgeht. Die hindunationalistische BJP als gegenwärtige Regierungspartei möchte natürlich ihren landesweiten Führungsanspruch zementieren und auch den Posten des Ministerpräsidenten für Delhi besetzen. Sie befindet sich nach dem überwältigenden Sieg bei den Parlamentswahlen im April/Mai 2014 noch immer im Höhenflug, und sie gewann danach auch Wahlen in drei Bundesstaaten. Selbst im muslimisch geprägten Jammu und Kaschmir schnitt sie außerordentlich erfolgreich ab und feilscht seitdem um Beteiligung an einer dortigen Koalitionsregierung.

Die BJP verdankt dies einem Mann – dem Premier Narendra Modi. Sein Charisma als »Macher«, der Indien zu einer Großmacht umzukrempeln verspricht, und seine Redegewandtheit haben diese Erfolge ermöglicht. Er fungierte in allen bisherigen Wahlkampagnen als wortgewaltiger Akteur, als Galionsfigur und Werbeträger seiner Partei.

Genau nach diesem Rezept will die BJP nun auch in Delhi gewinnen. Nachdem sie vor Ort über keinen profilierten Politiker verfügt, hat sie keinen Spitzenkandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten ernannt. Statt dessen spannt sie Modi erneut vor den Karren. Er wird die Massenkundgebungen leiten, obwohl er als Amtsanwärter für Delhi gar nicht zur Verfügung steht. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich zeigen; dennoch liegt nach ersten Meinungsumfragen die BJP vorne.

Die AAP will die Modi-Partei mit Kejriwal herausfordern. Auch er ist wie Modi ein beredter Politiker mit Charisma. In Delhi hatte er bereits das Amt des Ministerpräsidenten inne, allerdings nur 49 Tage. Dann trat er zurück, weil die Opposition die Verabschiedung eines strikten Gesetzes gegen Korruption blockierte. Das tragen ihm die Medien und viele Wähler bis heute als »Flucht vor der Verantwortung« nach. Bei den Parlamentswahlen trat Kejriwal im Wahlkreis Varanasi gegen Modi an und verlor haushoch.

Doch der AAP-Chef verspricht, diesmal alles besser zu machen. Er hat die Kandidaten für die 70 Sitze in der gesetzgebenden Versammlung bereits nominiert. Die Partei hat ein Manifest veröffentlicht, in dem für alle Probleme des Hauptstadterritoriums Lösungen angeboten werden, angefangen bei der Wasser- und Stromversorgung über Bildung bis zur Sicherheit für Mädchen und Frauen. In den Meinungsumfragen sprachen sich 35 Prozent der Befragten für Kejriwal als Ministerpräsidenten aus. Nur 23 Prozent stimmten für den BJP-Politiker Harsh Vardhan. Anders sieht es bei der Sitzverteilung aus. Hier liegt die BJP mit 34 bis 40 Mandaten vorn. Die AAP folgt mit 25 bis 31.

Doch bis zum Votum in über drei Wochen ist das Ergebnis offen. Die AAP hat den größten Anhang in den unteren sozialen Schichten, unter den Bewohnern der über 1.000 Slums Delhis, unter den Muslimen sowie im ländlichen Raum der Metropole. Die BJP hingegen baut auf die Mittelklasse und die Wohlhabenden. Das Resultat wird auch davon abhängen, wie Bürger, die traditionell die Kongresspartei wählen, sich diesmal entscheiden. Denn dieser werden so gut wie keine Chancen eingeräumt. Am 10. Februar wird ausgezählt, und vier Tage später soll der neue Ministerpräsident vereidigt werden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 14. Januar 2015


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