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Ein Bankkonto für jeden Inder

Premier Modi preist Initiative als Schritt gegen Armut, Kritikern zufolge ändert sich dadurch nichts

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Ein Bankkonto für jeden indischen Haushalt: Das ist das Ziel eines aufwendigen, vom indischen Premier Narendra Modi am Donnerstag vergangener Woche gestarteten sozialökonomischen Projekts. Bis zum Januar 2015 sollen 75 Millionen Bürger ein eigenes Konto haben. Damit werde der »finanziellen Unberührbarkeit« beträchtlicher Bevölkerungsgruppen der Garaus gemacht, äußerte der Regierungschef. Am ersten Tag wurden bereits 15 Millionen Konten eröffnet.

Die Initiative »Pradhan Mantri Jan Dhan Yojana« zielt auf die rund 40 Prozent der 1,2 Milliarden Inder ab, die bisher kein eigenes Konto haben. Wenn sie, so Modi, nicht Teil der Ökonomie seien, wie könne man dann die Armut beseitigen. Man breche jetzt den Teufelskreis von Armut und Verschuldung. Weit verbreitet sei noch immer, Geld bei privaten Verleihern zu borgen und dafür horrende Zinsen zu zahlen, die fünfmal höher als bei Banken seien. Direkte Zahlungen von staatlichen Sozialleistungen auf das Konto der Bedürftigen würden üblichen Bestechungspraktiken einen Riegel vorschieben.

Mit der Kontoeröffnung, die ohne jegliche Einzahlung möglich ist, gehen einige Vergünstigungen einher. Der Bürger erhält eine »RuPay Debit Card«, eine indische Version der Mastercard. Diese beinhaltet einen Versicherungsschutz in Höhe von 100000 Rupien, umgerechnet etwa 1250 Euro. Wer vor dem 26. Januar 2015 sein Konto eröffnet, dem wird zusätzlich eine Lebensversicherung über 30000 Rupien angeboten. Nach einem halben Jahr dürfen Kunden mit einem regelmäßigen Einkommen ihr Konto bis zu 5000 Rupien überziehen. Sie haben Zugang zu ihrem Konto auch über Mobiltelefone.

Der Generaldirektor der Konföderation indischer Industrien, Chandrajit Banerjee, bezeichnete das Projekt als »innovativen und dringend benötigten Schritt in die richtige Richtung«. Durchweg alle Banken kommen zu einer ähnlichen Bewertung.

Sozialaktivisten warnen jedoch vor zu großer Begeisterung. In einem Bericht der Zeitung The Hindu heißt es, ein Bankkonto zu haben, ändere noch nichts am sozialen Status. Wer mit einem Mindestlohn von 150 Rupien am Tag auskommen müsse, dem bleibe angesichts der hohen Preise für Lebensmittel nichts, was er auf die Bank tragen könne. Analphabeten wären ohnehin von den Bankangestellten abhängig, die entschieden, ob der Bewerber Kunde wird oder nicht. Entscheidend seien doch Ein- und Auszahlungen oder Spareinlagen, die nur entstehen können, wenn der Kontoinhaber ein Einkommen hat. Auch unter Modis Vorgängerregierung der Vereinten Progressiven Front waren bereits ähnliche Initiativen gestartet worden, die aber keineswegs zu einem Ende der Massenarmut geführt hatten.

Die jetzige Regierung ignoriert derartige Stimmen und argumentiert immer wieder, sie habe bei den Parlamentswahlen im Mai ein überwältigendes Mandat bekommen – gerade auch für solche Projekte wie »Pradhan Mantri Jan Dhan Yojana«.

* Aus: junge Welt, Samstag 6. September 2014


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