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Indiens Parlamentswahl dauert einen Monat

814 Millionen Stimmberechtigte geben zwischen dem 7. April und dem 12. Mai ihr Votum ab

Von Hilmar König, Delhi *

In Indien wird zwischen Anfang April und Anfang Mai das Parlament neu gewählt. Wie die Wahlkommission am Mittwoch in Delhi mitteilte, soll vier Tage später das Ergebnis verkündet werden.

Die 16. Parlamentswahlen in Indien werden sich über einen Zeitraum von fünf Wochen hinziehen. Das verkündete Chefwahlkommissar V.S. Sampath am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Delhi. Das Votum beginnt am 7. April und dauert bis zum 12. Mai.

814 Millionen Wahlberechtigte, mehr als die Gesamtbevölkerung Europas, geben gestaffelt an insgesamt neun Tagen in den verschiedenen Unionsstaaten und Unionsterritorien ihre Stimme ab. Nie zuvor zog sich eine Parlamentswahl derart lange hin. Es sind gegenüber der vorigen Wahl im Jahre 2009 dank vieler Jungwähler 100 Millionen Stimmberechtigte mehr. Dementsprechend wird auch die Zahl der Wahllokale um zwölf Prozent auf 930 000 steigen. Am 16. Mai werden die Stimmen ausgezählt. Bis Ende des Monats Mai muss sich das neue Parlament konstituiert haben.

Ab sofort tritt der Wahlkodex in Kraft. Das heißt, der Regierung sind keine Entscheidungen mehr erlaubt, die den Wähler beeinflussen könnten, beispielsweise Preissenkungen und andere Sozialmaßnahmen. Zugleich wird den politischen Parteien verboten, sich im Wahlkampf gegenseitig mit haltlosen Vorwürfen und Anschuldigungen zu bombardieren. Neu für die Wähler wird sein, dass sie auf dem elektronischen Wahlinstrument auch »NOTA« drücken können. Das bedeutet, dass sie für keinen der aufgeführten Kandidaten stimmen.

Erstmals tritt die »Aam Aadmi Party« (AAP) an. Die »Partei des Kleinen Mannes« tritt landesweit mit Kandidaten in Erscheinung. Sie schnitt im November vorigen Jahres bereits bei Wahlen in Delhi hervorragend ab und stellte für einen Zeitraum von 49 Tagen sogar die Regierung unter Chefminister Arvind Kejriwal. Die AAP ging aus der Antikorruptionsbewegung hervor und beteiligt sich unabhängig und nach eigenen Angaben ohne Koalitionsabsichten an der Parlamentswahl.

Premier Manmohan Singh von der regierenden Kongresspartei tritt nach zwei Amtszeiten nicht erneut an. Neuer Spitzenkandidat ist der jüngste Spross der Gandhi-Dynastie, der 43-jährige Rahul Gandhi. Umfragen zufolge ist ein erneuter Wahlsieg der Kongresspartei, deren Ansehen durch eine Reihe von Korruptionsskandalen beschädigt wurde, jedoch unwahrscheinlich.

Meinungsumfragen geben der hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP) die größten Chancen, die von der Kongresspartei geführte Vereinte Progressive Allianz unter Singh abzulösen. BJP-Aushängeschild ist der agile Chefminister Gujarats, Narendra Modi. Modi hat sich als Ministerpräsident des Bundesstaats Gujarat wegen seiner erfolgreichen Wirtschaftspolitik Ansehen erworben, doch ist er wegen seiner Rolle bei blutigen Ausschreitungen gegen Muslime im Jahr 2002 umstritten.

Elf säkular ausgerichtete politische Parteien, darunter vier linke, gehen mit einer »Föderalen Front« ins Rennen und wollen sowohl die BJP als auch die Kongresspartei an einer Machtergreifung hindern. Die Wahlen finden zu einem Zeitpunkt statt, da Indiens Wirtschaftswachstum bereits das zweite Jahr unter fünf Prozent liegt. Auslandsinvestoren warten erst einmal ab, wie die Wähler entscheiden, ob es zu einem Machtwechsel kommt und welchen Kurs die nächste Regierung steuert.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 6. März 2014


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