Frieden in Aceh mit Fallstricken
Indonesische Provinz feierte Jahrestag des Abkommens
Von Thomas Berger *
Mit Feiern ist am Dienstag das einjährige Bestehen des Friedensabkommens zwischen der
indonesischen Regierung und den Rebellen in der früheren Unruheprovinz Aceh gewürdigt worden.
Neben viel Lob für beide Seiten gab es auch mahnende Worte.
In voll gepackten Bussen, Autos, Lastwagen und auf Motorrädern trafen Menschen aus allen Teilen
der Provinz in der Hauptstadt Banda Aceh ein, um am Dienstag an den Feierlichkeiten zum
Friedensabkommen teilzunehmen. Der Radiosender ElShinta schätzte die Zahl der Teilnehmer auf
rund 200 000. In Aceh hatten Aufständische seit 1976 für die Unabhängigkeit gekämpft; fast 15.000
Menschen wurden getötet. Seit 1988 war die Provinz von indonesischen Truppen besetzt. Auslöser
der Friedensverhandlungen zwischen der indonesischen Regierung und der Bewegung Freies Aceh
(GAM) war die Tsunami-Katastrophe Ende 2004, bei der allein in der Provinz fast 170.000
Menschen umkamen.
Ein ganzes Jahr Frieden – das hatten die Einwohner Acehs zuletzt vor drei Jahrzehnten erlebt.
Folglich stimmten viele Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono zu, der schon am Vortag
des Jahrestages in einer Ansprache diese große Leistung unterstrich. Allerdings unterließ es das
Staatsoberhaupt auch nicht zu betonen, dass es nun darauf ankomme, »den eingeleiteten
Friedensprozess unumkehrbar zu machen«. Die Welt sei reich an Beispielen, wo ein perfekt
wirkender Friedensplan »durch unvollkommene Akteure« gescheitert sei. Das dürfe nicht passieren.
Während UNO, Großbritannien, Japan und Australien unter den ersten Gratulanten waren, stimmten
die Vertreter der Bewegung Freies Aceh (GAM) dem Präsidenten in der Grundaussage zu.
Allerdings legte ein Sprecher der früheren Rebellen sein Augenmerk auf einen anderen Punkt. Ein
Jahr nach dem Friedensabkommen werde es nun Zeit, dass die Bewohner der von 29 Jahren
Bürgerkrieg und zuletzt vom verheerenden Tsunami im Dezember 2004 geplagten Provinz die
Früchte der neuen Situation ernten können. Malik Mahmood, der frühere »Premier« der GAMExilregierung,
warnte vor neuen Konflikten, wenn nicht wirtschaftliche Teilhabe und Entwicklung den
Friedensprozess unterfüttern würden.
Die Statements machen die unterschiedlichen Sichtweisen deutlich. Manchen Politikern in Jakarta
ging schon das vor kurzem endlich vom Parlament beschlossene Gesetz über eine begrenzte
Autonomie Acehs zu weit. Umgekehrt fragen sich manche der ehemaligen Rebellen, ob man das
Ziel einer Unabhängigkeit des einstigen Sultanats nicht zu leichtfertig aufgegeben habe. Unter
welchen Umständen sich die GAM nun als regionale Partei im politischen Spektrum des Landes
etablieren kann, ist ebenfalls noch nicht restlos geklärt.
Dafür zeichnet sich ab, dass es nun nach mehreren Terminverschiebungen spätestens am 10.
Dezember Wahlen für die kommunalen Vertretungen geben soll. Indonesiens Informationsminister
Sofyan Djalil geht davon aus, dass eine vom Volk legitimierte Provinzregierung und Bürgermeister
Anfang 2007 ihre Arbeit aufnehmen können. Bis dahin bleibt noch allerhand zu tun, seitens GAM wie
auch der Zentralregierung. Denn in der Bevölkerung hat sich ungeachtet aller Freude auch ein
gehöriges Stück Ernüchterung breit gemacht, das selbst den politischen Führern in Jakarta nicht
entgangen ist.
* Aus: Neues Deutschland, 17. August 2006
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