Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Folgenschwerer Raubbau

Brandrodung bedroht wichtiges Reisanbaugebiet Indonesiens. Bauern kämpfen um ihre Existenz

Von Richel Dursin/IPS *

Der Westen der Insel Flores, rund 1300 Kilometer östlich der indonesischen Hauptstadt Jakarta, war vor nicht langer Zeit berühmt für seinen Reisanbau. Doch Brandrodung, Wanderfeldbau und Raubbau in den Wäldern haben die Verwaltungsregion Manggarai nahezu trockengelegt. Die Reisbauern kämpfen jetzt ums nackte Überleben – und um das verbliebene Wasser.

Mit 60 Jahren sollte sich Wilhemus Handur eigentlich ein wenig zurücklehnen dürfen. Statt dessen müht sich der siebenfache Vater Tag für Tag damit ab, genug Geld für seine Angehörigen zu verdienen. Den fast 30 weiteren Familien in seinem Heimatdorf Bandang geht es genauso. Dabei hatten sie selbst bis Ende der 90er Jahre die Hälfte des Reises für Manggarai geliefert. Jetzt müssen sie das Getreide auf dem Markt kaufen.

Flüsse ausgetrocknet

»Wir pflanzen auf unseren Reisfeldern nichts mehr an, weil es einfach kein Wasser gibt«, erklärt Handur, dessen fünf Hektar Land brachliegen. Bisher bezogen die Einwohner ihr Wasser aus dem Fluß Wae Aweng, doch seit 2000 führt er nicht mehr genug Wasser, um Reis gedeihen zu lassen. Dabei galt Badang einst als Kornkammer der Region.

In den Nachbardörfern können die Bauern höchstens noch einmal im Jahr ernten, denn auch der Wae Ntijo ist fast ausgetrocknet. Beide Flüsse, Aweng und Ntijo, hatten zuvor mehr als 780 Hektar Reisfelder bewässert. Doch für andere Feldfrüchte sowie die Holzverwertung wurden riesige Flächen gerodet, und der Wasserpegel sank. Jetzt bauen die Farmer abwechselnd Reis an, um Konflikte um das Wasser zu vermeiden.

Seit 1982 gibt es in der Region ein Komitee, das den Wasserverbrauch überwachen soll. Wer Wasser verschwendet, muß mit Strafen rechnen. So werden zum Beispiel Farmer, die außerhalb der abgesprochenen Anbauperioden Reis pflanzen, mit mehr als 100 US-Dollar zur Kasse gebeten. Eine wirksame Sanktion, denn das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Reisbauern beträgt rund 164 Dollar pro Jahr.

Bewohner der umliegenden Dörfer berichten, daß es dennoch immer wieder Streitigkeiten ums Wasser gibt. Und sie fürchten, daß es noch schlimmer kommen wird. Im vergangenen Jahr seien einige Farmer mit Macheten und Speeren aufeinander losgegangen, erzählen Augenzeugen derartiger Vorkommnisse.

Denn so nötig der sparsame Umgang mit Wasser in der Region geworden ist, so schwer macht er es den Bewohnern zu überleben. Sebastianus Jomar aus dem Dorf Nikeng zum Beispiel erntet in jeder Saison rund 580 Kilo Reis. Mit dem Gewinn muß er seine drei Kinder, seine Frau und seinen gelähmten Vater durchbringen, obwohl er nur 30 bis 50 Cent pro Kilo erhält. Oft verkauft er seine komplette Ernte bereits vorweg als Option, um mit dem Erlös Trockenfisch und Kleidung auf dem Markt zu erstehen. Manchmal hilft er für einen Dollar pro Tag auf anderen Reisfeldern aus.

Almosen vom Staat

Die Folgen dieser Misere sind in der Region nicht zu übersehen: 27 Prozent der Bewohner sind unterernährt. Immerhin leistet die Regierung seit dem vergangenen Jahr Hilfe, um die teils drastischen Preisanstiege bei Grundnahrungsmitteln zu kompensieren. Jede arme Familie erhält demnach rund elf Dollar pro Monat zusätzlich, so auch 73000 Familien in Manggarai.

Wie der Vorsitzende des Büros für Entwicklungsplanung in Manggarai, Frans Salesman, erläutert, sind von den 271000 Hektar Wald in der Region mehr als 50000 in kritischem Zustand. »In diesen Gebieten gibt es nicht nur Erosion, dort sanken auch die Grundwasserpegel«, sagt Salesman. Die meisten Farmer in Manggarai leben jetzt von Brandrodung und Wanderfeldbau. Sie pflanzen für einige Jahre Kaffee, Kurkuma und Cashewnüsse an und fällen dann an anderen Stellen den Wald, um neue Felder zu bepflanzen. 9,6 Prozent von 118882 Hektar geschützter Waldgebiete sind in den letzten Jahrzehnten so verloren-gegangen.

Zwar gab es diese Form der Landwirtschaft hier schon immer, durch den Bevölkerungszuwachs ist sie aber häufiger geworden. Bisher jahrzehntelang unberührte Wälder werden niedergemacht, berichten Dorfbewohner. An den Ufern des Wae Aweng gibt es nun kilometerlange Strecken ohne einen einzigen Baum. Die Bauern der Region graben ihrer Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser ab.

* Aus: junge Welt, 25. Juli 2006


Zurück zur Indonesien-Seite

Zurück zur Homepage