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Indonesiens Luxusgut: Wasser

Privatisierung treibt die Preise und senkt die Qualität

Von Gerhard Klas*

In Indonesiens Hauptstadt Jakarta ist die Trinkwasserversorgung seit 1995 in der Hand multinationaler Konzerne. Die Folge: sinkende Qualität, steigende Preise. Trotzdem soll die Privatisierung auf das ganze Land ausgedehnt werden. Die 19-jährige Jura-Studentin Veronica aus Jakarta kauft regelmäßig in Flaschen abgefülltes Danone-Trinkwasser, obwohl es sehr teuer ist. Das Leitungswasser sei schlicht ungenießbar. »Jedes Mal, wenn ich es trinke, mache ich mir Sorgen, selbst wenn ich es abgekocht habe. Warum kommt bei uns kein Wasser aus dem Hahn, das man ohne weiteres trinken kann?«

In Jakarta organisieren heute Suez und Thames Water, eine Tochter des deutschen RWE-Konzerns, in vielen Stadtteilen die Wasserversorgung. Suez ist mit 125 Millionen Kunden weltweit das größte Unternehmen der Branche, RWE belegt auf der Weltrangliste den dritten Platz. 1995 hatte der damalige indonesische Militärdiktator Suharto die Privatisierung des öffentlichen Wasserunternehmens Pam Jaya beschlossen. Das Geschäft mit Thames Water wurde von der Weltbank und dem britischen Department for International Development unterstützt. Der geschlossene Vertrag räumte der staatlichen Regulierungsbehörde, welche die Wassergeschäfte des Konzerns beaufsichtigen sollte, nicht einmal Recht auf Akteneinblick und Finanzberichte der ausländischen Investoren ein.

Für die Wasserversorgung im Ostteil und Westteil Jakartas erhielten dann 1997 – noch unter dem Suharto-Regime – Thames Water und der französische Multi Suez eine Konzession. Sie verpflichteten sich, das während der niederländischen Kolonialzeit angelegte Leitungssystem der Millionenmetropole zu warten. Beide Konzerne arbeiteten mit indonesischen Geschäftsleuten zusammen, die zum engeren Freundeskreis von Suharto zählten. Die Regierung, die nach dem Sturz des Diktators ins Amt kam, machte die Geschäfte mit den beiden Multis wegen offensichtlicher Korruption rückgängig und überführte die Wasserversorgung wieder in öffentliche Hand.

Doch dieser Zustand sollte nicht lange währen. Die Konzerne verlangten eine Neuverhandlung der Verträge. Dagegen gab es zwar Widerstand, wegen der von den Multis geplanten Entlassungen von Mitarbeitern und Preiserhöhungen kam es sogar zu Streiks. Aber schließlich schloss die Regierung 2001 abermals Verträge mit den beiden Großunternehmen ab. Thames Water hat sich damit im Ostteil der Stadt für 25 Jahre das Monopol auf die Wasserversorgung gesichert. Kein anderes Unternehmen hat in dieser Zeit das Recht, dort in das Geschäft mit Leitungswasser für die mehr als zwei Millionen Bewohner einzusteigen.

Auch der neue Konzessionsvertrag knebelt Jakarta. Er legt fest, dass die Stadt bei einer Beendigung des Vertrages die gesamte Summe, die bis zum Zeitpunkt der Vertragskündigung investiert wurde, an den Konzern zurückzahlen müsste. Plus die vereinbarten Profite für die gesamte Vertragsdauer von 25 Jahren. Ihrerseits erfüllen die Konzerne ihre vertraglichen Aufgaben keineswegs. Sowohl Thames Water als auch Suez schlossen weniger Haushalte an, als sie versprochen hatten. Bis heute klagen die Menschen in Jakarta über Unterbrechungen bei der Versorgung und über die schlechte Wasserqualität. Experten stellten eine hohe Konzentration von Schwermetallen und Reste von Reinigungsmitteln im Wasser fest. Ein Vertreter von Suez begründete die schlechten Leistungen seines Unternehmens mit der »Nachlässigkeit der Arbeiter«, die nicht bereit seien, »mit ausländischen Arbeitgebern zu kooperieren«.

Gleichzeitig fordern jedoch beide Wasserkonzerne immer wieder Preiserhöhungen, denen die Regulierungsbehörde schon mehrmals zustimmte. Inzwischen häufen sich jedoch die Konflikte zwischen dem städtischen Unternehmen Pam Jaya und den privaten Partnern. Denn Pam Jaya soll nicht nur kontrollieren, sondern muss – im Rahmen einer »Public-Private-Partnership« – zahlen, wenn die Konzern-Einnahmen aus den Wassergebühren nicht die Kosten der privaten Investoren decken. Die behaupten, das Geschäft sei längst noch nicht rentabel, auch wenn die Wasserpreise seit 1998 schon um fast 100 Prozent erhöht wurden. Thames Water und Suez beziffern die fälligen Zuschüsse von Pam Jaya auf 116 Millionen Dollar. Um diese Schulden zu begleichen, setzt sich Pam Jaya regelmäßig dafür ein, die Preise für Leitungswasser weiter heraufzusetzen. Im April 2003 stieg der Kubikmeterpreis für Wasser um 40 Prozent auf 49 Cent. Am ersten Januar dieses Jahres erhöhte die Stadtverwaltung die Wasserpreise abermals um 30 Prozent, ausdrücklich auch für die ärmeren Haushalte und Stadtviertel und löste damit einen öffentlichen Aufschrei aus. In Jakarta, wo die große Mehrheit der Bewohner mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen muss, nicht verwunderlich.

Trotz der schlechten Erfahrungen in Jakarta und den zahlreichen Protesten gegen die Privatisierung plant die indonesische Gesetzgebung, die Wasserversorgung überall im Land in private Hände zu geben. Das neue Gesetz, das diesen Schritt ermöglichen soll, erzwang die Weltbank, die der indonesischen Regierung 1999 nur dann einen Kredit von 300000 US-Dollar für die Wasserversorgung zur Verfügung stellen wollte, wenn die Privatisierung weiterginge.

Neben zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NRO) wehrt sich die größte muslimische Organisation in Indonesien, Nahdlatul Ulma (NU), gegen dieses Vorhaben, das dem »Recht auf sauberes und bezahlbares Wasser« entgegenstehe. Hingegen unterstützen beide großen Parteien Indonesiens, die Demokratische Partei der Präsidentin Megawati Sukarnoputri und die Golkar-Partei von Akbar Tandjung, die landesweite Privatisierungswelle, die zwar teureres, aber kein sauberes Trinkwasser beschert. Das Flaschenwasser des französischen Multis Danone und anderer Konzerne, die laut »Jakarta Post« schon viele Wasserquellen des Landes unter ihrer Kontrolle haben und allein 2003 mehr als vier Milliarden Kubikmeter Wasser in Flaschen abfüllten, um es anschließend in den Städten teuer zu verkaufen, dürfte für die wenigsten Bewohner von Jakarta eine Alternative sein.

* Den Artikel fanden wir im "Neuen Deutschland" vom 7. September 2004


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