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Großer Erwartungsdruck

Indonesien: Neuer Vorsitzender soll Vertrauen in Verfassungsgerichtshof wieder aufbauen

Von Thomas Berger *

Am heutigen Mittwoch wird Arief Hidayat als neuer Vorsitzender des indonesischen Verfassungsgerichtshofs vereidigt; in den kommenden zweieinhalb Jahren muss er das Vertrauen der Bevölkerung des südostasiatischen Inselstaates in diese Institution wieder herstellen. Dieses war 2013 rapide gesunken, als der damalige Vorsitzende Akil Mochtar wegen Korruption seines Amtes enthoben wurde. Akil hatte im Zuge von Regionalwahlen Schmiergeldzahlungen in großem Stil angenommen. Im Gegenzug sollte er lokale Ämter mit bestimmten Politikern besetzen. Vor einigen Monaten wurde er schließlich vom nationalen Antikorruptionsgericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Vetternwirtschaft und Korruption sind neben den immer wieder aufflackernden religiös instrumentalisierten Konflikten das Hauptproblem in dem bevölkerungsreichsten Mitgliedsland des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN). Dass aber selbst der oberste Verfassungsrichter massiv darin verstrickt war, hat vielen Indonesiern nahezu das letzte Vertrauen in staatliche Stellen geraubt.

Der fast 59jährige Arief war nach Absetzung und Verhaftung Akils an den Verfassungsgerichtshof berufen worden. Zuvor hatte er vor allem als Juraprofessor an der Universität gearbeitet, unter anderem zu Fragen des Umweltrechts und der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bereits 2013 war der Neuling unter den neun Richtern zum Stellvertreter des scheidenden Vorsitzenden Hamdan Zoelva ernannt worden. Bei der Wahl Ariels an die Spitze des Gremiums sprachen sich in offener Abstimmung alle Mitglieder für ihn aus – eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit. Ariefs Stellvertreter Anwar Usman, seit 2011 in der Runde vertreten, musste hingegen bei mehreren Konkurrenten vier Wahlgänge über sich ergehen lassen.

Als Ziele seiner Amtszeit benannte der neue Vorsitzende drei Schwerpunkte. »Erstens müssen wir den Gerechtigkeitssinn der Gesellschaft treffen, zweitens Rechtssicherheit schaffen. Drittens schließlich geht es darum, Urteile zu fällen, die die Entwicklung des Landes unterstützen«, zitierte die indonesische Tageszeitung The Jakarta Globe den Juristen. Dies dürfte sich mit den Erwartungen decken, die auch die meisten seiner Landsleute an ihn und seine Kollegen haben.

Gravierende Menschenrechtsverletzungen gibt es in Indonesien bis heute, gerade in Unruheprovinzen wie Papua, wo etwa die lokale Unabhängigkeitsbewegung brutal unterdrückt wird. Für den scheinbar integren und unabhängig agierenden obersten Verfassungshüter stehen in nächster Zeit wichtige Entscheidungen an, um grundlegende bürgerliche Freiheiten und gerade die Rechte von Minoritäten zu schützen. In diesem Hinblick hat der Gerichtshof in den letzten Jahren nicht immer ein gutes Bild abgegeben.

Auf Regierungsebene gibt es zwar seit 2014 mit Joko Widodo alias »Jokowi« in Jakarta einen neuen Präsidenten, der das Image eines Modernisierers hat. Wie schnell Vertrauen wieder Risse bekommen kann, zeigte sich allerdings bei einigen Personalentscheidungen, als Jokowi Personen in einflussreiche Ämter berief, die alles andere als eine reine Weste haben. Außerdem muss er Rücksicht auf Partner in seinem Regierungsbündnis nehmen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 14. Januar 2015


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