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Zweites Machtzentrum

Indonesiens neuer Präsident steht einer feindlichen Parlamentsmehrheit gegenüber

Thomas Berger *

Zu den wichtigsten Errungenschaften der indonesischen Demokratiebewegung nach dem Sturz des langjährigen Diktators Suharto 1998 in Indonesien gehörte die Direktwahl nicht nur der Parlamentsabgeordneten, sondern auch der höchsten Repräsentanten der verschiedenen Ebenen des Staates. Jetzt allerdings wird das Rad zumindest teilweise wieder zurückgedreht: Eine vom Parlament beschlossene Gesetzesänderung sieht vor, die Provinzchefs künftig statt direkt durch die jeweiligen Regionalversammlungen küren zu lassen. Seitens der oppositionellen Allianz von Prabowo Subianto scheint dies die Generalprobe für einen möglichen nächsten Vorstoß zu sein, auch der Direktwahl des Staatsoberhauptes ein Ende zu setzen.

Prabowo hatte im Juli die Wahl zum neuen Präsidenten des südostasiatischen Inselstaates gegen seinen Widersacher Joko Widodo, genannt Jokowi, knapp mit 47 zu 53 Prozent der Stimmen verloren. Bis heute erkennt er seine Niederlage jedoch nicht an. Kurz vor Jokowis offiziellem Amtsantritt am 20. Oktober ist jedoch klar: Nicht der neue Staatschef, sondern Oppositionsführer Prabowo kontrolliert das Parlament. Die Mehrheitsverhältnisse in der obersten Volksvertretung sind eindeutig – lediglich 207 Abgeordnete weiß Jokowi hinter sich, 353 gehören zum Parteienbündnis seines Kontrahenten. Zwar wäre es in Indonesien nicht ungewöhnlich, wenn diese Koalition der Regierungsgegner im Laufe der Legislaturperiode auseinanderbricht, noch aber kann der Wahlverlierer seine konservativ-islamistische Allianz beisammenhalten.

Als Kandidaten für einen Wechsel in das Regierungslager gelten bei Experten zum einen die Demokratische Partei des scheidenden Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono. Dessen Parteifreunde hatten demonstrativ die Parlamentssitzung verlassen, in der über die provinzielle Wahlreform entschieden wurde. Und Yudhoyono selbst kehrte extra vorzeitig von einem Besuch in Japan zurück, um prüfen zu lassen, wie weit ihm mit einer Verweigerung seiner Unterschrift unter das neue Gesetz eine Vetofunktion zukommen könnte. Der zweite Wackelkandidat ist Golkar, die nominell stärkste Kraft im Oppositionslager. Elf Abgeordnete dieser Partei votierten im Parlament gegen die machtstrategisch motivierte Wahlrechtsreform des Prabowo-Lagers. Unter der Oberfläche gärt es innerhalb der Golkar bereits, nachdem ihr Vorsitzender Aburizal Bakrie im Präsidentschaftswahlkampf mit Prabowo offenkundig auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Nun in der Opposition sitzen zu müssen finden viele hohe Funktionäre der machtgewohnten einstigen Hausmacht Suhartos nicht akzeptabel.

Jokowi könnte als neuer Präsident also gezielt darauf setzen, einzelne Parteien aus dem gegnerischen Block herauszulösen. Bislang hat er jedoch nicht nur im Parlament gegnerische Mehrheiten gegen sich. Auch 31 Provinzen werden von der Opposition kontrolliert, nur in zwei regiert seine Demokratische Partei des Kampfes (PDI-P).

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 2. Oktober 2014


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