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Gegen die Schamlosigkeit eines angekündigten Krieges

Eine Erklärung der Martin-Niemöller-Stiftung

Wir sind in diesen Tagen Zeugen von Kriegsvorbereitungen der USA und Großbritanniens gegen den Irak, die seit Monaten mit großem Aufwand betrieben werden. Eine Bedrohung beider Staaten durch den Irak bzw. den Diktator Saddam Hussein liegt nicht vor. Den wechselnden Begründungen fehlen Beweise und Glaubwürdigkeit.

Das Völkerrecht wird verachtet. Erkennbar sollen die UNO, ihre Friedensbemühungen und Inspektoren ausgeschaltet werden. Ein Präventionskrieg ist nach der UN-Charta illegal. Wird er geführt, wird die irakische Zivilbevölkerung, die noch unter den Folgen des ersten Golfkriegs leidet, abermals zum Opfer, und nicht der Tyrann mit seinem brutalen Machtapparat.

Sich an einem solchen Krieg zu beteiligen wäre ein Verbrechen auch dann, wenn nicht das deutsche Grundgesetz schon die Vorbereitung eines Angriffskriegs unter schwere Strafe stellte. Deshalb ist die klare Entscheidung der Bundesregierung gegen eine Teilnahme an diesem Krieg entschieden zu begrüßen und zu unterstützen. Als selbstbewusste Demokraten werden wir unsere Regierung von Zeit zu Zeit an ihre Grundsatzentscheidung erinnern.

Aber: Auch von deutschem Boden aus laufen in diesen Tagen vielerorts Vorbereitungen, um die Kriegsmaschinerie auf Touren zu bringen. Als NATO-Mitglied ist Deutschland voll mit eingespannt in dieses Getriebe. Diese Doppelbödigkeit derzeitigen deutschen regierungsamtlichen Handelns stellt die Ablehnung einer deutschen Kriegsbeteiligung in Frage. Wir vermissen in den deutschen Medien eine ausreichende Information über Hintergründe und Folgen des geplanten Krieges. Beeindruckende Antikriegsdemonstrationen in aller Welt und ihre inhaltlichen Argumente werden ebenso unterschlagen wie praktische, auf die Überwindung des Gegensatzes von "gut" und "böse" abzielenden Initiativen von Kirchen, Künstlern, Wissenschaftlern u.a.

Dennoch Sand im Getriebe:
Jede Demonstration, Veranstaltung, Anzeige, Resolution, jede Aktion erinnert daran, dass nicht alle Menschen willens- und bewusstlos das Weltgeschehen lediglich als Publikum wahrnehmen. Wir müssen, jeder Einzelne muss sich einmischen, Einspruch gegen den Krieg öffentlich machen. Wenn quotengesteuerte Medien es als ihre Hauptaufgabe verstehen, das Volk ruhig zu stellen, dann heißt Gegenöffentlichkeit in diesen Zeiten: Den Mund aufmachen.

Unsere Forderung an die Politik:
Neue diplomatische Anstrengungen und Abrüstungs-initiativen für den Irak und die gesamte Region sind die sinnvollen Alternativen zu einer Politik der militärischen Konfrontation.

Unsere Hoffnung:
Das "andere Amerika". Es ist das Amerika der "Bill of Rights", das Amerika des ethisch begründeten wissenschaftlichen Fortschritts, das literarisch, politisch und künstlerisch seiner selbst gewisse, aber auch seiner Relativität im globalen Kontext bewusste Amerika. Dies "andere" Amerika, das genau wie wir jene Gefahr sieht, die sich vorzugsweise mit so scheinbar unverfänglichen Begriffen wie "Unilateralismus" vernebelt, muss den Kriegstreibern in den Arm fallen. Wir werden es unterstützen.

Verfasst am 14. Januar 2003, dem Geburtstag von Albert Schweitzer und Martin Niemöller

Martin-Niemöller-Stiftung, Wiesbaden

Für den Vorstand:
Martin Stöhr, Heinz Hermann Niemöller, Walter Jens, Joachim Perels


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