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Trauer, Wut, Widerstand - Stellungnahmen zum Kriegsbeginn

Teil 2: Erklärungen von Gewerkschaften und aus den Kirchen

Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe von Stellungnahmen und Presseerklärungen zum Beginn des Angriffs auf den Irak. Zu Wort kommen folgende Organisationen:
  • IG Metall
  • GEW Berlin
  • Katholische Kirche Kassel
  • Gemeinsame Erklärung der katholischen und evangelischen Kirchen
  • Dr. Reinhard Marx, Bischof von Trier
  • pax christi


IG Metall ruft Mitglieder zu Demonstrationen auf

Frankfurt/Main – Die IG Metall hat ihre 2,6 Millionen Mitglieder zu weiteren Aktionen und Demonstrationen gegen den Irak-Krieg aufgefordert. „Nicht resignieren. Wir müssen uns jetzt noch stärker für eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts engagieren“, rief IG Metall-Vorsitzender Klaus Zwickel unmittelbar nach Kriegsausbruch die Mitglieder der IG Metall auf. Der Alleingang des amerikanischen Präsidenten dürfe nicht widerspruchslos hingenommen werden. In und vor den Betrieben und Büros, auf den Märkten, in den Fußgängerzonen, vor den Kirchen solle Tag für Tag gegen die Invasion des Iraks durch die USA demonstriert werden.

Die Folgen für die im Irak lebenden Menschen seien grauenhaft. Unzählige unschuldige Opfer werden zu beklagen sein, sagte Zwickel. Auch für die UNO seien die Konsequenzen unabsehbar, da sich die US-Regierung über die Beschlüsse der UNO hinweg gesetzt habe. Damit habe die Bush-Regierung den Willen der Völker ignoriert. Anscheinend wolle sie mit ihrer Ignoranz die Staatengemeinschaft in die Bedeutungslosigkeit treiben.

„Mit Krieg lassen sich politische Probleme nicht lösen“, betonte Zwickel. Millionen Demonstranten rund um den Erdball hätten bisher die USA nicht aufhalten und Saddam Hussein nicht vertreiben können. Trotzdem sei die Fortsetzung der massiven Proteste das wichtigste Mittel, um diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden.

20. März 2003

GEW Berlin

Stoppt den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak!

Die GEW BERLIN verurteilt die militärische Aggression der USA und seiner Alliierten gegen den Irak und fordert die sofortige Einstellung jeglicher Kampfhandlungen und die Aufnahme diplomatischer Kontakte, um eine friedliche politische Lösung des Konflikts entsprechend der Charta der Vereinten Nationen zu erreichen. Der Krieg ist kein geeignetes Mittel, internationale Konflikte zu lösen. Er bedeutet für Tausende der Zivilbevölkerung des Iraks und vor allem für die Kinder unermessliches Leid und Grauen.

Es steht außer Frage, dass das Regime von Saddam Hussein undemokratisch ist und auch die Menschenrechte im Irak ignoriert wurden. Es hätte aber andere Wege gegeben, eine Entwaffnung und Demokratisierung des Iraks ohne einen militärischen Konflikt zu erreichen.

Demonstrationen von Schülerinnen und Schülern gegen den Krieg entspringen der tiefen Sorge um die Auswirkungen dieser Aggression der USA, die bewusst gegen das Völkerrecht verstößt und in erster Linie von den politischen und ökonomischen Interessen der USA geprägt ist.

Dieter Haase, Vorstandsmitglied der GEW BERLIN, bringt zum Ausdruck, dass Schulleitungen und Kollegien Schülerinnen und Schüler entsprechend dem Schulgesetz zu verantwortungsbewussten Persönlichkeiten auf der Grundlage von Demokratie und Frieden erziehen. "Wir hoffen deshalb in dieser Situation, dass Kolleginnen und Kollegen ihre pädagogische Verantwortung und ihre Aufsichtspflicht, z. B. in Form von Begleitung demonstrierender Schülerinnen und Schüler, wahrnehmen und appellieren an sie, von Sanktionen abzusehen, wenn Schülerinnen und Schüler in der Unterrichtszeit ihr Demonstrationsrecht gegen den Krieg ausüben. Ferner gehen wir davon aus, dass die Senatsbildungsverwaltung vor dem Hintergrund der Haltung der Bundesrepublik die Schülerproteste für eine friedliche Verständigung der Völker auch in der Unterrichtszeit unterstützt."

Pädagoginnen und Pädagogen dürfen angesichts des erneuten Krieges nicht resignieren, sondern müssen die Friedenserziehung und ihre Bestrebungen für eine aggressionsfreie und friedliche Welt intensivieren. "Nie wieder Krieg!" war und bleibt aktuell.

20. März 2003

Stellungnahme der Katholischen Kirche in Kassel zu dem Irakkrieg

Heute Nacht haben die amerikanischen Streitkräfte mit ihren Verbündeten den lange vorbereiteten und geplanten Krieg gegen den Irak begonnen. Auf die Verbrechen des irakischen Diktators Saddam Hussein wird so mit dem Verbrechen eines Krieges geantwortet, der völkerrechtswidrig ist und von der überwiegenden Mehrheit der der Vereinten Nationen und der Weltgemeinschaft abgelehnt wird.

Die amerikanische Regierung, die diesen Angriffskrieg begonnen hat, zeigt sich damit nicht als Beschützer der Welt, als Beschützer von Werten wie Demokratie und Freiheit, sondern selber als unberechenbarer Faktor der Weltpolitik. Sie stützt sich auf "das Recht des Stärkeren" und macht den Krieg wieder zum Mittel der Politik.

Es ist deutlich geworden, dass nicht die Entwaffnung Saddam Husseins das entscheidende Ziel der US Regierung gewesen ist. Die hätte nach den Aussagen der Waffeninspekteure mit friedlichen Mitteln erfolgen können. Die US Regierung will mit allen Mitteln eine andere Regierung im Irak installieren.

Die Katholische Kirche hat angefangen von Papst Johannes Paul II auf allen Ebenen diesen Krieg immer wieder deutlich abgelehnt und verurteilt. Es muß jetzt alles mögliche getan werden, um im Mittleren und Nahen Osten so schnell wie möglich wieder Frieden zu schaffen und das Leiden der Bevölkerung zu beenden.

Am Sonntag werden wir in allen unseren Gottesdiensten um Frieden und Versöhnung beten. Um 18.00 Uhr wird zudem von der katholischen Kirche St. Familia eine Friedensprozession zur evangelischen Martinskirche stattfinden, die die Ablehnung des Krieges zum Ausdruck bringt.

Dechant Harald Fischer
Für die Katholische Kirche des Dekanates Kassel
Kassel 20. März 2003

Gemeinsame Erklärung der Kirchen

Dieser Krieg ist Ausdruck des Scheiterns der Politik
Humanitäre Katastrophe muss vermieden werden

20. März 2003

Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Manfred Kock, und des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), Bischof Walter Klaiber

Dieser Krieg ist Ausdruck des Scheiterns der Politik. Bei allem Verständnis für das Unrecht, das den Vereinigten Staaten durch die Terroranschläge des 11. September 2001 zugefügt wurde, und für die Verletzung ihres Sicherheitsgefühls bedauern wir in unserem Land zutiefst die Entscheidung, mit Waffengewalt anzugreifen. Kirchen und christliche Gemeinschaften wie auch viele Menschen weltweit, die vor einem solchen Schritt gewarnt hatten, empfinden in diesem Moment große Trauer. Denn Krieg soll nach Gottes willen nicht sein. Immer ist er eine Niederlage der Menschheit.

Dabei geben wir uns im Hinblick auf das menschenverachtende Regime von Bagdad keinen Illusionen hin. Kein Zweifel darf auch daran bestehen, dass wir die in den USA und Großbritannien gepflegten politischen Werte teilen. Dennoch findet der jetzt eingeschlagene Weg des Blutvergießens unseren Widerspruch. Denn wir sehen keine ethische oder völkerrechtliche Rechtfertigung für ihn.

In dieser Stunde erinnern wir daran, dass auch der Krieg kein rechtsfreier Raum ist. Die Konfliktparteien stehen in der Pflicht, die Zivilbevölkerung während der Kampfhandlungen soweit wie nur irgend möglich zu schonen. Eine humanitäre Katastrophe muss vermieden werden. Auch müssen alle Mittel der Politik ausgeschöpft werden, dem Krieg ein rasches Ende zu bereiten.

Unser Mitgefühl gehört allen Opfern: den Toten und ihren Angehörigen, den Verwundeten und den Flüchtlingen. Wir ermutigen die Mitchristen in unserem Land, das Schicksal all dieser Menschen in persönlichem und gemeinschaftlichem Gebet vor Gott zu tragen. Wir appellieren an alle, keine Gelegenheit auszulassen, durch Hilfe das Leiden zu lindern. Wir bitten alle darum, Kontakt zu halten zu den Kirchen und christlichen Gemeinschaften im Nahen und im Mittleren Osten ebenso wie zu unseren Partnern in den USA. In dieser Stunde zeigt sich auch erneut die Bedeutung des Gesprächs mit unseren muslimischen Nachbarn vor Ort und in der Welt.

Gemeinsam beten wir:

Herr,
mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst,
dass ich verzeihe, wo man beleidigt,
dass ich verbinde, wo Streit ist,
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist,
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht,
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält,
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert,
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr,
lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn, wer sich hingibt, der empfängt,
wer sich selbst vergisst, der findet,
wer verzeiht, dem wird verziehen,
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Dr. Reinhard Marx, Bischof von Trier

"Erklärung zum Kriegsbeginn im Irak"
20.03.2003

Es ist Krieg. Wann immer wir diesen Satz sagen müssen, erleidet die Menschheit eine Niederlage. Deshalb ist meine Trauer und Betroffenheit groß. Krieg ist immer ein Übel. Nie ist der Krieg gerecht. Immer gibt es unschuldige Opfer. Das gilt auch für den Krieg, der nun im Irak begonnen hat. Der Heilige Vater und auch die katholischen Bischöfe in Deutschland, wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder energisch darauf hingewiesen, dass der Krieg, der nun im Irak begonnen hat, nicht gerechtfertigt ist. Er ist völkerrechtswidrig. Es hätte, davon sind wir überzeugt, friedliche Mittel gegeben, den Verbrecher Saddam Hussein in Schach zu halten. Es sind nicht alle Möglichkeiten genutzt worden, den Krieg zu vermeiden.

Trotz der intensiven diplomatischen Bemühungen und Appelle des Heiligen Vaters, trotz der Ablehnung der Vereinten Nationen, trotz der Demonstrationen und Gebete von Millionen Menschen konnte der Kriegsausbruch nicht verhindert werden. Das ist eine bittere Erkenntnis, und ich bedauere das zutiefst. Aber als Christen dürfen wir nie verzweifeln. Wir wissen: der Krieg darf und wird nicht das letzte Wort behalten. Der Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Christus stärkt uns in der Hoffnung, dass das Leben stärker ist als der Tod.

So rufe ich die Christen im Bistum Trier weiter dazu auf, für den Frieden zu beten. Gerade jetzt darf unser Engagement für Frieden und Gerechtigkeit nicht nachlassen. Unsere Gedanken sollten in diesen Tagen bei den Menschen im Irak sein. Wir sollten beten für die Menschen im Irak, für die Soldaten auf beiden Seiten, für die politisch und militärisch Verantwortlichen, vor allem für die Opfer und ihre Angehörigen. Auch bitte ich die Christen im Bistum Trier, die humanitären Hilfsaktionen der Caritas und anderer Hilfswerke im Irak zu unterstützen. Wir müssen allen Opfern beistehen.

Gerade jetzt und in Zukunft sind wir als Christen gefordert, uns für einen Frieden in Gerechtigkeit in der Golf-Region und im Nahen Osten einzusetzen. Was wir brauchen ist ein langfristiges politisches Friedenskonzept für die gesamte Region. Wir brauchen eine wirkliche Partnerschaft mit den arabischen Ländern, wir brauchen einen Dialog mit dem Islam, wir brauchen Kommunikation auf gleicher Augenhöhe. Als Christen müssen wir durch unseren Einsatz für einen Frieden in Gerechtigkeit verhindern, dass sich in der arabischen Welt der Eindruck verfestigt, vom Westen dominiert zu werden. Denn nur dann besteht die Hoffnung, dass sich diese Region aus eigenen Kräften in eine demokratische Richtung entwickelt. Mit Gewalt und Krieg lässt sich das nicht erreichen, sondern nur mit Gerechtigkeit und Frieden und mit Respekt vor der je eigenen Geschichte und Kultur der Völker.

pax christi fordert die Bundesregierung zur strikten Nichtbeteiligung auf Das Nein zum Krieg umsetzen

Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat zusammen mit der „Koalition der Willigen“ entschieden, den Irak in den nächsten Stunden anzugreifen. Wir verurteilen diese Entscheidung.

Der jetzt vorgesehene Angriff geschieht unter Bruch des Völkerrechts, verstößt gegen das Grundprinzip des Gewaltverbots, und ein Mandat der UN für eine Intervention liegt nicht vor.

In diesem Sinne hat die deutsche Bundesregierung immer an einer diplomatischen Lösung des Konflikts gearbeitet, bis hin zur heutigen Initiative einiger europäischer Außenminister, in letzter Sekunde diesen Krieg noch zu verhindern. Diese bedeutende Arbeit begrüßen wir ausdrücklich.

Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, mit Beginn des Krieges nicht nachzulassen in dem Bemühen um eine diplomatische Lösung und alle Anstrengung darauf zu richten, den unausweichlichen Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Hierzu gehört auch, die Nichtbeteiligung an diesem Krieg durch konkrete Entscheidungen zu bekräftigen, indem die Bundesregierung
  • das Bundeswehrpersonal aus den AWACS-Aufklärungsflugzeugen abzieht, da diese nicht nur dem Schutz des NATO-Territoriums dienen, sondern auch in die Angriffsplanungen für den Irak eingebunden sind;
  • die Einheiten der Fuchs-Spürpanzer aus Kuwait zurückholt und die Überflugrechte bundesdeutschen Gebietes für Angriffe auf den Irak nicht gewährt.
Verpflichtungen, die sich aus dem NATO-Bündnis ergeben, greifen in dieser Situation nicht.

Wir wissen uns mit unseren Mitgliedern einig im Gebet um Frieden und in der Trauer für die Opfer, die zu erwarten sind. Wir erinnern auch an die Opfer des 11.9.01 in den USA und die Opfer des Krieges in Afghanistan, aber wir wollen nicht den Weg von Rache und Vergeltung beschreiten, auch nicht im Namen der Opfer.

Bad Vilbel, den 19.3.2003


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