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"Alle Iraker wollen, daß die Amerikaner abziehen"

Gespräch mit Khair El-Din Haseeb. Über das notwendige Ende der Besatzung und den Wiederaufbau des Zweistromlandes, Probleme des Widerstands und eine Lösung der Palästina-Frage

Der Ökonom Khair El-Din Haseeb (79) stammt aus Mosul. Der ehemalige Chef der Irakischen Zentralbank (1964) war nach dem Putsch 1968 inhaftiert und mußte Irak 1974 verlassen. Seitdem lebt er in Beirut, wo er das Zentrum für Studien der Arabischen Einheit leitet.



Von Karin Leukefeld, Beirut *

Auf einer Konferenz 2006 in Beirut entwickelte Khair El-Din Haaseb gemeinsam mit 100 irakischen Intellektuellen, Wissenschaftlern und Politikern ein detailliertes Projekt, wie ihr Land nach der Befreiung von den Besatzungstruppen neu aufgebaut werden kann. Ihre Überlegungen sind in dem Buch »Ein Plan für die Zukunft des Irak« zusammengefaßt (Planning Iraq's Future, A Detailed Project to Rebuild Post-Liberation Iraq. Centre For Arab Unity Studies, Beirut 2006)

Karin Leukefeld: Am 20. Januar tritt Barack Obama sein Amt in Washington an. Wird sich mit dem neuen Präsidenten die US-Politik im Irak und gegenüber der arabischen Welt ändern?

Khair El-Din Haseeb: Ich denke schon. Es gibt innenpolitische Gründe, die die Amerikaner dazu zwingen, ihre Besatzungstruppen aus dem Irak zurückzuziehen. Und der neue Präsident hat sich dazu verpflichtet, das innerhalb von 16 Monaten zu tun, nur ein kleines Kontingent soll bleiben, um die irakische Armee auszubilden. Die aktuelle irakische Regierung, die unter der Besatzung gebildet wurde, hatte das US-irakische Truppenabkommen ziemlich lange hinausgezögert, weil sie weiß, daß es eine breite Ablehnung in der Bevölkerung dagegen gibt. Diese sogenannten politischen Parteien in der derzeitigen Regierung wissen, daß es im kommenden Januar lokale und regionale Wahlen geben wird, also wollten sie ihr Image bei den Leuten verbessern.

Wie steht die irakische Regierung heute in den Augen der Iraker da?

Diese sogenannte Regierung hat in jeder Hinsicht versagt. Fünfeinhalb Jahre nach Beginn der Besatzung ist sie nicht in der Lage, die Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln und öffentlichen Dienstleistungen zu versorgen. Nicht einmal das, was unter dem vorherigen Regime und während 13 Jahren Sanktionen erhältlich war, haben sie hingekriegt. Außer für wenige Stunden haben die Leute keinen Strom. Die Stromversorgung heute ist schlechter als zu Beginn der Besatzung und das, obwohl Milliarden US-Dollar ausgegeben wurden. Es gibt auch keine Sicherheit. Die Amerikaner tönen zwar, daß sich die Sicherheitslage nach ihrer Militäroperation »Surge« 2007 verbessert hätte. Aber für die relative Ruhe ist nicht die Aufstockung der US-Truppen verantwortlich. Vielmehr sind es andere Dinge. Dazu sage ich später noch etwas. Tatsache ist doch, daß noch immer täglich mindestens zehn bis zwanzig Menschen getötet werden. Außerdem werden viele sogenannte irakische Soldaten und Polizisten umgebracht, es gibt diese Selbstmordattentate. Ist das etwa eine normale Sicherheitslage? Und jenseits der Sicherheitslage und der mangelhaften Versorgung mit Strom fehlt es an gesundheitlicher Versorgung, an sauberem Wasser. Wir haben Cholera im Irak! Im vergangenen Jahr gab es die Cholera in den kurdischen Gebieten, in diesem Jahr hat sie sich in der Mitte und im Süden des Landes ausgebreitet. Wir haben eine enorm hohe Arbeitslosigkeit – jede demokratische Regierung in der Welt, die ihre Bevölkerung nicht mit den grundlegenden Dingen versorgen kann, sollte zurücktreten.

Warum sagen Sie »sogenannte irakische Soldaten und Polizisten«?

Die sogenannten irakischen Sicherheitskräfte, also die Armee und die Polizei, sind nicht mehr als eine Ansammlung von Milizen. Es gibt zwei Armeedivisionen, die sich zur Treue gegenüber Abdulaziz Al-Hakim vom Hohen Islamischen Rat verpflichtet haben. Eine weitere Division folgt der Dawa-Partei des Ministerpräsidenten, zwei Divisionen gehören zu Masud Barsani, eine zu Dschalal Talabani und eine zu Tarik Al-Hashimi. Wirklich, wie kann man so etwas »irakische Armee« nennen.

Ist die Bevölkerung ebenso in Gruppen gespalten wie die Armeedivisionen? Westliche Medien sprechen oft von einem Bürgerkrieg im Irak.

Das ist ein Argument der Amerikaner, die sagen, sie könnten den Irak nicht verlassen wegen der sektiererischen Gewalt. Tatsache ist, daß es vor der Invasion keine sektiererische Gewalt gab. Die Iraker lebten zusammen, doch seit der Invasion 2003 haben die Besatzungstruppen aufgehört, über »das irakische Volk« zu sprechen. Sie reden nur über Sunniten, Schiiten, Araber, Kurden, Turkmenen und so weiter. Und die erste Interimsregierung, die sie installierten, basierte auf sektiererischen Gruppen: Arabern, Kurden, Schiiten, Sunniten usw. Sie haben diesen Konflikt angefacht, erst zwischen Schiiten und Sunniten, dann zwischen Schiiten und Schiiten, zwischen der Gruppe von Muqtada Al-Sadr und dem Islamischen Rat von Abdulaziz Al-Hakim. Dann ging es weiter zwischen Sunniten und Sunniten, nun gibt es Unruhe unter den Kurden.

Was im Irak geschieht, ist die imperialistische Politik von »teile und herrsche«. Ich bin überzeugt, das wird besser, wenn die Amerikaner erst mal abziehen. Und wenn sie Demokraten sind, wie sie von sich behaupten, müssen sie die vielen Umfragen akzeptieren, die Auskunft darüber geben, wie man im Irak zu den Amerikanern steht. Die letzte Umfrage von der BBC und anderen westlichen Medienanstalten hat bestätigt, daß eine überwältigende Mehrheit der Iraker will, daß die Amerikaner abziehen. Manche wollen, daß sie sofort gehen, andere erst in ein paar Monaten, aber alle wollen, daß sie gehen. Und selbst eine Mehrheit der Amerikaner will, daß ihre Soldaten aus dem Irak abziehen. Wir haben also die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung der Besatzungsmacht und der Mehrheit der Bevölkerung des besetzten Landes. Warum gehen sie nicht, wenn sie doch behaupten, sie seien Demokraten?

Sie sagten, die relative Verbesserung der Sicherheitslage im Irak sei nicht auf die »Surge«-Operation der US-Armee zurückzuführen. Was sind die Gründe?

Zum Beispiel wurden die 21 Bezirke Bagdads mit hohen Betonmauern umgeben; pro Bezirk gibt es nur einen Eingang und einen Ausgang für die Bevölkerung. Wer Probleme machen will, geht da nicht hindurch. Aber das hat natürlich nichts mit dem Recht auf Bewegungsfreiheit zu tun, und das ist auch nicht mehr die Stadt Bagdad, wie wir sie kennen. Die Zahl der Toten ist auch rückläufig, weil die Gruppe von Muqtada Al-Sadr zunächst sechs Monate einen Waffenstillstand gegen die Amerikaner einhielt und den bis heute einhält. Und dann gibt es da noch Al-Qaida, deren Anhänger neben den Amerikanern auch unschuldige Leute getötet haben. Die Amerikaner haben alle möglichen Aktionen des Widerstandes als Aktionen von Al-Qaida bezeichnet, was völlig übertrieben war. Offizielle Berichte aus dem Pentagon geben zu, daß Al-Qaida nur eine Minderheit im Irak ist. Außerdem gibt es mehr als eine Al-Qaida-Gruppe im Irak. Da gibt es die Al-Qaida der Amerikaner, die der Israelis, die der Iraner.

Irgendwelche Leute von einer dieser Al-Qaida-Gruppen riefen eine »Islamische Regierung« in Mosul und Anbar aus und zwangen Mitglieder des Widerstandes, mit ihnen zu kooperieren, sonst würde man sie töten. Also mußte der Widerstand sich auf den eigenen Schutz konzentrieren, anstatt gegen die Amerikaner zu kämpfen. Die amerikanischen Streitkräfte haben das ausgenutzt und einigen Gruppen des Widerstandes Waffen und Geld angeboten, um sich gegen Al-Qaida zu schützen. Das sind die Gruppen, die wir als »Söhne des Irak« oder Al Saha, »Die Wiedererweckung« kennen. Einige ehemalige Kämpfer des Widerstandes haben den Amerikanern Informationen gegeben, das hat den Widerstand natürlich geschwächt. Hinzu kommt, daß der irakische Widerstand nie von einem der Nachbarländer unterstützt wurde, sie waren ausschließlich auf sich selbst gestellt und auf die Waffen, die vom alten Regime übriggeblieben waren. Diese Waffen waren aber alt und eigentlich nicht mehr zu gebrauchen. All das zusammen hat dazu beigetragen, daß die Aktionen des irakischen Widerstandes seit 2007 rückläufig sind.

Vor wenigen Wochen gab es Berichte, daß Christen in Mosul angegriffen wurden und zu Tausenden flohen. Wer steckte hinter diesen Angriffen?

Lassen Sie mich zunächst sagen, daß die Christen in Mosul immer in Frieden lebten. Als ich studierte, haben wir mit mehreren Studenten ein Haus gemietet. Ich wohnte mit einem irakischen Muslim und mit zwei Christen, Joseph und Noel. Vier Jahre haben wir zusammen gelebt und studiert. Die irakischen Christen waren immer Teil der Gesellschaft, sie sind Araber. Anders als beispielsweise die Assyrer, die eine christliche nationale Minderheit sind. Es gab einfach keine Probleme zwischen den Christen und Muslimen. In den 1930er Jahren war die Nummer zwei der irakischen Regierung der Finanzminister. Und einer dieser Finanzminister war Youssif Khadima, ein Christ. Es gab christliche Minister, Generaldirektoren und so weiter, Christen wurden nicht diskriminiert. Erst die Amerikaner und ihre Kollaborateure haben das Land in Schiiten und Sunniten gespalten, in Araber und Kurden, in Turkmenen und Kurden. Und jetzt teilen sie Christen und Muslime, warum? Um ihre Anwesenheit zu rechtfertigen. Um zu zeigen, daß man die Amerikaner braucht, um Ruhe und Ordnung zu garantieren. Die Amerikaner haben nicht nur das Regime ausgetauscht, sie haben den Staat zerstört. Nichts aus den Ministe­rien, keine Akten, keine Aufzeichnungen, nichts ist geblieben. Es wurde systematisch geplündert.

Und was geschah nun mit den Christen in Mosul? Sie wurden ja angegriffen.

Das waren die Peschmerga, die kurdischen Milizen. Ob sie von ihren Führern aufgehetzt wurden oder jemand anderes sie beauftragt hat, weiß ich nicht. Aber weil sehr schnell weltweit protestiert wurde, war die Regierung gezwungen, eine Armeedivision aus dem Süden nach Mosul zu schicken. Daraufhin zogen sich die Peschmerga aus dem Teil der Stadt zurück, in dem die Christen immer gelebt haben.

Kurden wurden doch selber verfolgt, es ist schwer vorstellbar, daß sie nun Christen verfolgen.

Es waren Peschmerga vom Barsani-Clan. Sie wollen ihre Macht ausdehnen. Von Anfang an, seit der Besatzung, waren sie an der Plünderung und Unruhestiftung in Mosul beteiligt. Hinter der Plünderung der dortigen Universität steckten die Leute von Barsani. Und der starke Mann in Mosul ist nicht der Gouverneur, sondern sein Stellvertreter Hassan Khorani, ein Kurde. Er ist verantwortlich für die Peschmerga in der Stadt.

Die irakische Regierung hat ein Rückkehrprogramm für die Flüchtlinge insgesamt aufgelegt und fast 200 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt. Ist das eine gute Sache?

Das Rückkehrprogramm ist eine Medienshow. Es gibt natürlich Familien, die nicht länger in Syrien oder Jordanien leben können, weil alle ihre Ersparnisse aufgebraucht sind. Für diese Leute gibt es keine Alternative, als in den Irak zurückzukehren, egal wie die Lage dort ist. Aber soviel ich weiß, nutzen nur wenige Familien das Programm. Doch wie man es auch einschätzt: Natürlich muß diese sogenannte irakische Regierung die Flüchtlinge unterstützen. Schließlich ist sie verantwortlich für ihre Vertreibung. Es ist nicht die Sache der Vereinten Nationen oder von Syrien oder Jordanien, für die Flüchtlinge zu sorgen, die irakische Regierung ist verantwortlich und sie hat genug Geld! Mit dem Anstieg des Ölpreises hat sie mehr Geld, als sie ausgeben kann. Aber ich bin mir gar nicht sicher, ob sie wirklich will, daß die Flüchtlinge zurückkehren. Denn wenn sie zurückkehren, werden sie sich an den Wahlen Ende Januar beteiligen und der Regierung zeigen, was sie von ihr halten.

Viele Iraker haben kein Vertrauen zur aktuellen Regierung in Bagdad. Auf die Frage, wen sie sich als zukünftigen Ministerpräsidenten vorstellen können, fällt vielen nicht einmal ein Name ein, weil sie einfach niemandem vertrauen. Fällt Ihnen jemand ein, dem die Iraker vertrauen könnten?

Der einzige, von dem ich mir vorstellen kann, daß er die Mehrheit der Iraker hinter sich hätte, wäre Naji Taleeb. Er war 1966 Ministerpräsident und gehörte zu den Freien Offizieren, die 1958 die Revolution durchführten. Aber er ist natürlich viel zu alt für so eine Aufgabe. Jemand anderes fällt mir nicht ein. Das Problem ist auch, daß das vorherige Regime der Baath-Partei niemanden politisch aufsteigen ließ. Es gibt also ein politisches Vakuum.

Sie haben in Beirut eine Reihe von Landsleuten um sich versammelt, um über die Zukunft Iraks nicht nur zu reden, sondern sie konkret zu planen. Welche Perspektive sehen Sie?

Vor zwei Jahren haben wir auf einer Konferenz einen Vorschlag für den Rückzug der Amerikaner vorgelegt. Die derzeitige sogenannte Regierung wird gehen, wenn die Amerikaner gehen. Unsere Überlegungen sind in dem Buch »Ein Plan für die Zukunft des Irak« nachzulesen, es enthält einen detaillierten Plan, wie der Irak nach dem Abzug der Besatzungstruppen wieder aufgebaut werden kann. Iraker kennen ihr Land am besten, also haben wir Komitees zu verschiedenen Fragen gebildet, haben einen neuen Verfassungsentwurf ausgearbeitet, ein neues Wahl- und Parteiengesetz, eine neue Ölpolitik formuliert. Wir haben Vorschläge für den Aufbau einer neuen Armee gemacht und dazu, wie die Infrastruktur des Irak wieder aufgebaut werden kann, die Medien und vieles mehr. Natürlich muß es Wiedergutmachungszahlungen der Briten und Amerikaner geben und eine unabhängige Kommission, die alle Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen von 1958 bis zum heutigen Tag untersucht. Mehr als 100 Iraker haben an der Konferenz teilgenommen, zwei Drittel aus dem Land, ein Drittel aus anderen Ländern, und über alles wurde ausführlich diskutiert.

Wird sich die irakische Gesellschaft jemals von den Zerstörungen der letzten Jahre erholen können?

Ja, ich glaube schon. Das ist kein Wunschdenken, sondern es resultiert aus meiner persönlichen Erfahrung. Ich habe die ganze Zeit des Bürgerkriegs im Libanon gelebt. Was heute im Irak geschieht, gab es auch hier. Obwohl das Ausmaß der Zerstörungen im Irak sehr viel größer ist. Nach dem Bürgerkrieg gingen die Leute wieder aufeinander zu, die Teilung von Ost- und Westbeirut verschwand, Christen fuhren wieder dorthin, wo die Drusen leben. Obwohl die Medien immer wieder anderes berichten, ist es heute sicher im Libanon. Am Tag und in der Nacht, man kann hingehen, wohin man will. Und so wie die Libanesen sich nach all dem, was im Bürgerkrieg geschehen war, wieder versöhnt haben, so wird es auch im Irak geschehen. Vor allem wenn man bedenkt, daß es vor der Besetzung im Irak überhaupt keine religiöse oder gesellschaftliche Spaltung gegeben hat wie hier im Libanon. Wir hatten im Irak sieben schiitische Ministerpräsidenten, vier kurdische Ministerpräsidenten und so weiter. Es wird dauern, aber vielleicht werden die Wunden schneller verheilen, als es hier im Libanon geschieht.

Ist es für den Nahen Osten wichtiger, die Situation im Irak zu lösen oder die in Palästina?

Irak hat Priorität. Die Palästina-Frage braucht Zeit, selbst eine Obama-Regierung ist nicht in der Lage, dort eine faire Lösung durchzusetzen. Aber der Rückzug der fremden Streitkräfte aus dem Irak, Neuwahlen und eine neue Regierung werden erheblich zu einer Änderung der regionalen Balance beitragen. Und das wird letztlich auch eine Lösung der Palästina-Frage fördern. Nicht sofort, denn dafür müssen sich auch die arabischen Regime ändern. Sie müssen eine neue nationale und patriotische Politik entwickeln und die Karten spielen, die sie haben: Öl und Geld. Damit können sie durchaus Einfluß auf die USA und den Westen insgesamt ausüben und deren Bedeutung zumindest neutralisieren. Ob es jemals eine Zweistaatenlösung geben wird, weiß ich nicht. Dafür muß der Status von Jerusalem geklärt werden. Die Frage der Siedlungen kann vielleicht gelöst werden, aber die Rückkehr der Flüchtlinge werden die Israelis nie akzeptieren. Weil es den Charakter des israelischen Staates ändern würde. In letzter Zeit spricht man wieder mehr über einen demokratischen Staat Palästina, in dem die Juden und Araber, die Palästinenser zusammenleben. Vielleicht wäre eine Art Föderation eine Lösung.

Wird es in der »Welt nach Bush« mehr Möglichkeiten einer friedlichen Entwicklung geben?

Eine Folge der Wahl von Barack Obama und der Finanzkrise ist, daß die USA nicht mehr allein die Welt regieren werden. Die Zeit der unipolaren Weltordnung ist vorbei. Vermutlich schneller als erwartet werden sich neue Machtsäulen positionieren, Europa, Rußland, Indien und China. Und das Hauptkriterium, was bisher eine Supermacht definiert hat, wird nicht mehr die Frage sein, wie viele Waffen sie hat, da waren die USA ungeschlagen die größte Macht. In Zukunft wird der ökonomische Faktor an Bedeutung gewinnen. Das heutige Bruttosozialprodukt in der Europäischen Union liegt über dem der USA. Und das Bruttosozialprodukt von China wird vermutlich in zehn, 15 Jahren das der USA erreicht, vielleicht sogar überholt haben. Das Wachstum der chinesischen Ökonomie betrug in den letzten 20 Jahren durchschnittlich zehn Prozent, so daß es heute schon Amerikaner gibt, die sagen, die USA müssen von China lernen. Auch Indien ist wichtig, die Wachstumsrate dort beträgt zwischen sechs und neun Prozent, dazu ist es ein demokratischer Staat. Doch, doch, trotz aller Probleme sehe ich die Zukunft positiv.

* Aus: junge Welt, 13. Dezember 2008


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