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Grüne Zone jetzt irakisch bewacht

150 000 ausländische Besatzer bleiben aber vorerst im Lande

Bagdad (AFP/dpa/ND). Knapp sechs Jahre nach der Invasion der US-Armee in Irak haben irakische Truppen am Neujahrstag die Kontrolle über die hermetisch abgeriegelte Grüne Zone in der irakischen Hauptstadt übernommen. Sie lösten damit die US-amerikanischen Truppen ab. In der streng bewachten, mit einer vier Meter hohen Mauer umgebenen Grünen Zone befinden sich die USA-Botschaft, das irakische Parlament sowie mehrere Ministerien.

Irakische Regierungsvertreter feierten den symbolträchtigen Schritt der Übernahme am Neujahrstag im Palast des früheren Diktators Saddam Hussein. Bei ihrem Einmarsch im März 2003 hatten US-Truppen den Palast besetzt und dort ihr Hauptquartier eingerichtet, auch die USA-Botschaft residierte zeitweise in dem Gebäude. Von den Irakern wurde der gigantische Palast daher als Symbol der Besatzung angesehen.

Regierungschef Nuri el Maliki sprach jetzt von einem »Tag der Souveränität« für die Iraker und erklärte den 1. Januar zum Nationalfeiertag. Die Übernahme der Grünen Zone bedeute den Beginn eines Prozesses, in dem die Iraker »jeden Quadratzentimeter« ihres Landes wieder für sich einnehmen würden. Verteidigungsminister Abdel Kader Dschassem Mohammed feierte die Übergabe als »Zeichen für die Verbesserung der Sicherheitslage«.

In der Silvesternacht war das UN-Mandat für ausländische Truppen in Irak abgelaufen. Die weitere Stationierung von derzeit 146 000 US-Soldaten wird durch ein neues Abkommen zwischen den USA und Irak ermöglicht. Es schränkt aber die Machtbefugnisse der Besatzungssoldaten ein und sieht ihren schrittweisen Abzug bis Ende des Jahres 2011 vor.

Nur wenige Stunden vor Ablauf des UN-Mandats hatte die irakische Regierung auch noch zwei Stationierungsabkommen mit Großbritannien und Australien unterzeichnet. Die Abkommen legen die Einsatzbedingungen für die derzeit noch 4100 britischen Soldaten und die noch etwa 1000 verbliebenen Australier in den kommenden sieben Monaten fest.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Januar 2009


Irakische Märchenstunde

Von Roland Etzel **

Ministerpräsident Nuri al-Maliki pfiff gestern sehr laut im dunklen Wald, denn er sprach von einem Tag der Souveränität für sein Land Irak. Auch die US-»Partner« waren nicht kleinlich im Selbstlob bei der offiziellen Übergabe der »Grünen Zone« an die Bagdader Regierung. Maliki erklärte den 1. Januar deshalb gleich zum Nationalfeiertag. Nun ist die Grüne Zone kein Wald und kein Pressekonferenz-Saal, sondern eine waffenstarrende Festung, und so gab es für diese Verheißung weder verbale An- noch handfeste Schuhwürfe von den aus sicherer Entfernung Angesprochenen.

Was da verkündet wurde, war eine durchaus schöne Vision, aber leider mit dem Glaubwürdigkeitswert eines Märchens aus Tausendundeiner Nacht. Denn es soll künftig tatsächlich so sein, dass die US-Besatzer, außer wenn sie angegriffen werden, immer erst die Iraker um Erlaubnis fragen, wenn sie im Lande bomben, schießen oder auch nur verhaften wollen. Sein Amtskollege in Afghanistan könnte Maliki erzählen, was bei der US-Army alles unter Selbstverteidigung fällt. Deren Opfer können es nicht mehr.

Der angehende Präsident Obama müsste seinen Truppen schon einen kompletten Mentalitätswechsel verordnen. Geschähe das und gelänge er auch noch, hätten die Iraker wirklich etwas zu feiern und die Historiker ein Novum in der US-Geschichte. Doch die Zweifel daran sind sehr, sehr groß.

** Aus: Neues Deutschland, 2. Januar 2009 (Kommentar)


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