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BND-Ausschuß zieht Bilanz

CDU/CSU: Steinmeiers Glaubwürdigkeit beschädigt. Linke sieht Komplizenschaft Berlins bei völkerrechtswidrigem "Krieg gegen den Terror"

Von Ulla Jelpke *

Nach dreijähriger Arbeit wird der BND-Untersuchungsausschuß am 18. Juni 2009 einen Abschlußbericht beschließen. Beim Thema Irak-Krieg kann Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nicht auf Unterstützung durch den Koalitionspartner hoffen. Im Gegenteil, die CDU/CSU-Fraktion hat schon angekündigt, daß auch sie dem früheren Kanzleramtschef die politische Glaubwürdigkeit absprechen wird.

Die Chance, Kritik am SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier wegen der Mitwirkung Deutschlands am Irak-Krieg zu üben, wollte die Unions-Obfrau im Ausschuß, Kristina Köhler, nicht ungenutzt lassen. Man darf vermuten, daß sie die volle Rückendeckung der CDU/CSU-Fraktion hatte, als sie am 4. Juni 2009 gegenüber dem Tagesspiegel erklärte: »Ein wichtiges Ergebnis der Ausschußarbeit lautet: Die Glaubwürdigkeit von Frank-Walter Steinmeier ist beschädigt.« Dies gelte vor allem wegen des Einsatzes von zwei BND-Agenten in Bagdad während des Irak-Kriegs. Steinmeier hatte behauptet, die damalige SPD/Grünen-Bundesregierung habe eine rote Linie gezogen, indem der BND angewiesen worden sei, keine militärischen Informationen an die Amerikaner weiterzugeben. »Solche Informationen wurden aber weitergegeben«, stellte Köhler fest.

Tatsächlich hatten SPD und Grüne die fast schon verloren geglaubte Bundestagswahl 2002 auch deswegen doch noch gewonnen, weil sie die Öffentlichkeit mit einem klaren Nein zum Irak-Krieg für sich einnahmen. Daß es mit der Distanz zu Präsident Bush nicht so weit her war, zeigte sich im Frühjahr 2003, als die Regierung Schröder/Fischer den Amerikanern für ihren völkerrechtswidrigen Krieg Überflugrechte einräumte und US-Militärliegenschaften in Deutschland von der Bundeswehr schützen ließ. Die deutsche Bevölkerung ahnte jedoch nicht, daß darüber hinaus auch noch eigens zwei BND-Agenten nach Bagdad geschickt wurden, die den Amerikanern vor und während der heißen Kriegsphase wertvolle Informationen lieferten. Da das Kanzleramt die Aufsicht über den BND führt, war der damalige Kanzleramts­chef Steinmeier in diese Aktion voll einbezogen. Er hat sie ausdrücklich gebilligt.

Der Linkspartei-Obmann Norman Paech zog daher aus der Ausschußarbeit das Fazit, wie die Frankfurter Rundschau am 5. Juni 2009 aus seinem noch unveröffentlichten Sondervotum zitierte, daß »die rot-grüne Regierung« entgegen ihren Behauptungen den Krieg der USA gegen den Irak 2003 unterstützt hat«. Auch Grünen-Obmann Hans-Christian Ströbele wird in der FR mit der Bewertung zitiert, der BND habe über die Agenten in Bagdad das US-Militär »mit kriegswichtigen Informationen unterstützt«.

Ähnlich hat sich die FDP geäußert. Dagegen erklärte SPD-Obmann Michael Hartmann, es sei »albern, so zu tun, als hätten zwei Agenten im Keller der deutschen Botschaft in Bagdad den Krieg entschieden«.

Allerdings wirkt auch die Kritik der CDU/CSU reichlich bemüht. Denn Angela Merkel war ja selbst eine Anhängerin des Vorgehens der USA im Irak. Zudem hat sich die Union bei den anderen Themen im Untersuchungsausschuß wie etwa den verbrecherischen Verschleppungen von Murat Kurnaz und anderer unschuldiger Menschen durch die CIA und deren Folterung in Guantanamo und in Geheimgefängnissen der Amerikaner drei Jahre lang an die Koalitionsdisziplin gehalten, anstatt lautstark zu protestieren. Die Aufklärungsarbeit der Opposition brachte dennoch zu Tage, daß - so Norman Paech - die frühere Bundesregierung »an vielen schwerwiegenden menschenrechts- und völkerrechtswidrigen Aktivitäten der USA« heimlich mitgewirkt hat.

* Aus: junge Welt, 8. Juni 2009


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