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Machtzuwachs ohne Krieg

Vorteil Peking: Bei Vergabe irakischer Ölförderlizenzen spielen Konzerne der NATO-Staaten untergeordnete Rolle. Ähnlich ist die Lage in Afghanistan

Von Tomasz Konicz *

An die zwei Billionen (2000 Milliarden) Dollar hat die Invasion und Okkupation des Iraks durch die Militärmaschinerie der Vereinigten Staaten den US-Steuerzahler bisher gekostet. Dennoch hält sich für Washington die ökonomische Dividende aus diesem blutigen Gemetzel, dem bis zu einer Million Irakis zum Opfer gefallen sein sollen, in recht engen Grenzen. Die Strategen des Irak-Kriegs, die Neokonservativen (Neocons), müßten eigentlich »stinksauer« sein. So titelte jedenfalls mit unverhohlener Schadenfreude das progressive US-Nachrichtenportal »Alternet«. Denn nun würden die geopolitischen Konkurrenten Washingtons bei der Vergabe von Konzessionen zur Ölförderung im Irak klar bevorzugt.

Bei der zweiten – und bislang größten – von Bagdad organisierten Versteigerung von Förderlizenzen für zehn Ölfelder konnte nur mit der niederländisch-britischen Shell ein westliches Energieunternehmen einen großen Erfolg erzielen. Shell wird in Kooperation mit dem malaysischen Petronas-Konzern das Majnoon-Ölfeld bewirtschaften, das über Reserven von 12,5 Milliarden Barrel (Faß, 159 Liter) Öl verfügen soll. Das noch größere (12,8 Milliarden Barrel) West-Kurna-2 wird hingegen von einer Gesellschaft ausgebeutet werden, an der der russische Großkonzern Lukoil – neben dem norwegischen Unternehmen Stat­oilHydro– zu 85 Prozent beteiligt ist. Rußland konnte sich auch noch weitere Konzessionen für kleinere Gebiete sichern.

Größter Nutznießer der bisherigen Versteigerung von Förderlizenzen ist zweifellos China. Dessen Konzern CNPC wird in Kooperation mit BP im größten Ölfeld Rumaila fördern, in dem an die 15 Prozent der bekannten irakischen Reserven von ca. 115 Milliarden Barrel lagern sollen. Ein weiterer Coup gelang der CNPC mit dem Halfaya-Ölfeld (Reserven von circa vier Milliarden Barrel), das unter chinesischer Führung gemeinsam mit Petronas und der französischen Total erschlossen wird. Diese Erfolge Pekings spiegeln sich inzwischen auch in der Struktur der irakischen Ölexporte. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am 21. Dezember meldete, sollen laut irakischem Innenministerium die Lieferungen nach China im kommenden Jahr auf 300000 Barrel pro Tag verdoppelt werden – etwa 14 Prozent der für 2010 angepeilten Gesamtexporte. Bereits in den ersten elf Monaten dieses Jahres waren diese Ausfuhren um 300 Prozent gewachsen.

Auch in Afghanistan, wo die USA in ein weiteres kostspieliges Kriegsabenteuer verwickelt sind, ergibt sich ein ähnliches Bild: Während sich Wa­shingtons Militärmaschinerie nebst NATO-Hilfstruppen in einem kostspieligen Guerillakrieg erschöpft, konzentriert sich Peking auf den Versuch, die Region wirtschaftlich zu dominieren. China sei dabei, Hunderte von »Millionen nach Afghanistan zu pumpen«, titelte jüngst die britische Tageszeitung Telegraph. Peking investierte bereits 800 Millionen US-Dollar, um Zugriff auf die 300 Kilometer südlich von Kabul gelegene Aynak-Kupferlagerstätte zu erhalten. Zudem gelten chinesische Firmen als die Favoriten bei der Ausschreibung für die Eisenerzvorkommen in der Nähe des 60 Kilometer westlich von Kabul gelegenen Hajigak-Gebirgspasses. Beide Lagerstätten zählen zu den größten Vorkommen ihrer Art weltweit. Ihre Ausbeutung soll ebenfalls enorme Folgeinvestitionen mit sich bringen, wie den Bau eines Schienen- und Straßennetzes sowie weiterverarbeitender Fabriken.

Allein in Aynak belaufen sich laut der China Metallurgical Group die Investitionen auf drei Milliarden US-Dollar. 20000 Arbeitsplätze sollen dort mit chinesischen Dollarreserven geschaffen werden. Der afghanische Bergbauminister Muhammad Ibrahim Abdel zeigte sich gegenüber dem Telegraph zuversichtlich, daß die Einnahmen aus dem Industriezweig binnen fünf Jahren auf zwei Milliarden US-Dollar ansteigen werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, daß die afghanische Marionettenregierung im vergangenen Jahr Steuereinnahmen von gerade einmal 800 Millionen US-Dollar verbuchen konnte. Die zivilen Hilfszahlungen an Kabul werden sich 2010 auf zehn Milliarden US-Dollar belaufen.

Südlich von Kabul werde die »geopolitische Zukunft Asiens« offenbar, kommentierte die New York Times (NYT) diese Entwicklung mit neidischem Unterton: »Amerikanische Truppen schaffen Sicherheit für einen chinesischen Staatskonzern, der die Aykak-Kupferlagerstätte ausbeuten wird, die Dutzende von Milliarden Dollar wert ist.« China habe ein Auge auf die letzten unerschlossenen Vorkommen von Kupfer, Gold, Eisenerz, Uran und Edelsteinen in Afghanistan geworfen und sei bereit, »große Risiken in einem der gewalttätigsten Länder der Welt auf sich zu nehmen, um diese zu sichern«. Die USA opferten ihr »Blut und ihr Geld«, Peking dagegen ernte die Früchte dieses Engagements, kommentierte die NYT: »Alle diplomatischen und militärischen Anstrengungen Amerikas zielen auf eine Exit-Strategie ab, während die Chinesen darauf hoffen, bleiben und profitieren zu können.«

Das chinesische Engagement läuft keineswegs ohne Widerstand ab. Kanadische und US-Firmen, die bei der Ausschreibung der Kupferlagerstätten in Aynak ihren chinesischen Mitbewerber unterlagen, beschuldigten die China Metallurgical Group und afghanische Regierungsstellen der Korrup­tion, berichtete die Nachrichtenagentur AP. Wie der Telegraph weiter ausführte, wurde von den Besatzern inzwischen eine nach dem Vorbild des FBI strukturierte Polizeitruppe gegründet, die unter Beteiligung britischer und US-amerikanischer »Spezialisten« den chinesischen Kupfercoup erneut unter die Lupe nahm. Deshalb werde nun der Bergbauminister beschuldigt, von den Chinesen 30 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeldern entgegengenommen zu haben, so der Telegraph: »Es wird berichtet, daß genügend Beweise sichergestellt wurden, um einen Haftbefehl gegen Mr. Abdel auszustellen.«

* Aus: junge Welt, 24. Dezember 2009


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