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Mehr Einsatz von Bush für Irak-Flüchtlinge gefordert

Hilfsorganisationen: US-Präsident soll Nahostreise für Engagement nutzen

Von Karin Leukefeld *

Hilfsorganisationen fordern US-Präsident Bush auf, sich für Irak-Flüchtlinge stark zu machen. Deren Lage ist auch nach einer Rückkehr oftmals katastrophal.

Im Vorfeld des als »Nahostreise« angekündigten Besuchs von US-Präsident George W. Bush in Israel haben Vertreter von 18 Hilfsorganisationen an ihn appelliert, mehr für irakische Flüchtlinge zu tun. Bush solle die Führung in der internationalen Hilfe für irakische Flüchtlinge übernehmen, fordern Organisation wie »Flüchtlinge International«, das »Amerikanische Nahostkomitee für Flüchtlinge« oder die Hebräische Immigranten Hilfsvereinigung. Man könne sich »kein besseres Engagement der USA denken, um die amerikanischen Beziehungen in der Region zu stärken«.

Insbesondere die Lage der Frauen und Kinder unter den Flüchtlingen sei katastrophal, hieß es in dem Schreiben. Als humanitäre Organisationen, die sich um das Wohl der Menschen im Mittleren Osten kümmerten, sei man »hoch erfreut über Ihren bevorstehenden Besuch«, dessen Ziel es sei, die Bemühungen um »Frieden und Wohlstand in der Region zu stärken«. Die irakische Flüchtlingskrise sei von »größter strategischer Bedeutung für die Vereinigten Staaten«, die Vertreibung könnte sich »negativ auf die regionale Sicherheit« auswirken. Es sei daher »lebensnotwendig, dass sich Ihre Regierung pro-aktiv mit den Auswirkungen der irakischen Vertreibung befasst«.

Bush solle seine Treffen mit »arabischen Führern« nutzen, um von ihnen ein größeres Engagement für eine positive Entwicklung in Irak einzufordern. Der Besuch biete die Möglichkeit, von der internationalen Gemeinschaft und insbesondere von den reichen Golfstaaten und auch der irakischen Regierung mehr Hilfe für die irakischen Flüchtlinge zu verlangen. Die Verantwortung der USA für das irakische Flüchtlingsdrama infolge der unrechtmäßigen Invasion und Besetzung Iraks wurde in dem Schreiben nicht erwähnt.

Obwohl in den letzten drei Monaten laut dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz mehr als 40 000 irakische Flüchtlinge aus Syrien nach Irak zurückgekehrt sind, bleibt die Lage angespannt. Die meisten Flüchtlinge kehrten aus Geldmangel zurück. Das UN-Informationsnetzwerk IRIN berichtete kürzlich von einer irakischen Mutter zweier Kinder, die in Damaskus zum Broterwerb während des Fastenmonats Ramadan für andere Muslime fastete, weil diese ihre Fastenpflichten nicht einhalten konnten. Dafür erhielt sie monatlich 3000 Syrische Pfund, umgerechnet ca. 45 Euro.

Durch ihre Rückkehr versuchen viele Iraker, solchen entwürdigenden Lebensumständen zu entkommen. Doch oft wurden ihre Wohnungen zerstört oder von Fremden besetzt und sie müssen in Flüchtlingslagern am Rande der irakischen Hauptstadt leben.

Der arabische Nachrichtensender Al Dschasira hatte kürzlich berichtet, dass irakische Familien immer häufiger keinen anderen Ausweg aus ihrer Lage sehen, als ihre Kinder an adoptionswillige westliche Ausländer zu verkaufen. Als Vermittler treten vielfach irakische Dolmetscher und angebliche Mitarbeiter westlicher Hilfsorganisationen auf.

Nach Auskunft der Irakischen Familiengesellschaft, die 2004 gegründet wurde, sollen wöchentlich zwei Kinder verkauft werden, vier Mal pro Woche würden Kinder als vermisst gemeldet.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Januar 2008


Der Agentur Reuters (7.1.08) zufolge starben seit 2003 an den Kriegsfolgen 95000 (darunter mehr als 87000 Zivilpersonen), und 4218 Besatzungssoldaten (USA 3910, Großbritannien 174, andere 134). Unabhängige Chronisten in Irak, wie die Autoren der Webseite »Iraq Body Count«, halten die Zahlen für stark untertrieben.
(Karin Leukefeld in "junge Welt", 9. Januar 2008




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