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Vier Frauen sollen hingerichtet werden

Menschenrechtsgruppen kritisieren: In Irak sind faire Verfahren nicht gewährleistet

Von Karin Leukefeld *

Die Todesstrafe ist in Irak in der Verfassung verankert. Die Zahl der Hinrichtungen steigt stetig. Erstmals sollen in Bagdad vier Frauen getötet werden.

Als werde noch nicht genug gestorben in Irak, nimmt auch die Zahl der Hinrichtungen im Zweistromland zu. Irakische und internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und das Brüsseler Tribunal gegen die Besatzung in Irak machen darauf aufmerksam, dass erstmals vier Frauen in Bagdad hingerichtet werden sollen. Samar Sa’ad Abdullah (25), Wassan Talib (31), Zeynab Fadhil (25) und Liqa’ Qamar (25) wurden wegen unterschiedlicher Vergehen verurteilt, alle weisen jegliche Schuld von sich. Zeynab Fadhil ist zusammen mit ihrer drei Jahre alten Tochter inhaftiert. Liqa’ Qamar brachte ihre jetzt einjährige Tochter im Gefängnis zur Welt.

Ein Einspruch Samar Sa’ad Abdullahs wurde abgewiesen, ihre Hinrichtung steht unmittelbar bevor, befürchtet Amnesty International. Angeblich soll sie ihren Onkel, dessen Frau und die drei Kinder des Paares getötet haben, um sich an deren Tod zu bereichern. Die junge Frau macht ihren damaligen Verlobten für die Tat verantwortlich. Über den Verbleib des Mannes ist nichts bekannt.

Wassan Talib und Zeynab Fadhil wurden vom Obersten Irakischen Gerichtshof am 31. August 2006 zum Tode verurteilt. Sie sollen – angeblich Mitglieder des irakischen Widerstands – 2005 an der Ermordung irakischer Sicherheitskräfte in Bagdad beteiligt gewesen sein. Beide Frauen weisen die Anschuldigung zurück. Zeynab Fadhil erklärte, zum Zeitpunkt der Tat gar nicht in Bagdad gewesen zu sein.

Liqa’ Qamar wurde am 6. Februar 2006 zum Tode verurteilt, weil sie an einer Entführung im Jahr 2005 beteiligt gewesen sein soll. Ihr Ehemann wird der gleichen Tat beschuldigt, über seinen Verbleib ist nichts bekannt.

Irakische Menschenrechtler, die um Anonymität gebeten haben, kritisieren den Schuldspruch heftig. Die Frauen würden wegen »Verbrechen gegen das öffentliche Wohlergehen« von einer Regierung hingerichtet, die nicht einmal in der Lage sei, die Bevölkerung mit Strom, Wasser und Arbeit zu versorgen. Stattdessen würden die Leichenberge in den Straßen Bagdads täglich höher.

Gegen eine Verurteilung wegen Zugehörigkeit zum irakischen Widerstand argumentieren die Gruppen, dass Widerstand gegen jede Art von Besatzung nach der Genfer Konvention legitim sei. Die Frauen hätten nicht einmal einen Anwalt ihres Vertrauens sprechen können, beklagen die Kritiker. Die Lage in Irak sei so außer Kontrolle, dass es kein faires Verfahren geben könne.

In ihrem emotionalen Appell vertreten die Aktivisten die Auffassung, dass Irak in Sachen Frauenrechte einst der fortschrittlichste arabische Staat war. Heute seien irakische Frauen in vielfacher Hinsicht von Gewalt betroffen. Täglich wachse die Zahl der Witwen; Entführungen, Folter und Vergewaltigungen gehörten zum Alltag.

Im September 2005 führte die Übergangsregierung unter Ijad Allawi die Todesstrafe wieder ein, die von den USA-Besatzern ausgesetzt worden war. Sie wurde in der neuen irakischen Verfassung bestätigt. 2005 wurden drei Männer hingerichtet, 2006 stieg die Zahl der Hinrichtungen auf 65. Seit Beginn des Jahres 2007 wurden zwei Personen gehenkt. Jedes Todesurteil muss vom irakischen Präsidenten oder einem seiner Stellvertreter unterzeichnet werden.

* Aus: Neues Deutschland, 21. Februar 2007


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