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Bagdad erwartet Projekte statt neuer Versprechen

In Jordanien debattieren internationale "Geber" wieder einmal über Hilfen für Irak / Unsicherheit und Korruption behindern Investitionen

Von Karin Leukefeld

Im jordanischen Badeort Schuneh begann am Montag eine internationale Konferenz über Hilfen für Irak. Vertreter von mehr als 60 Nationen und von internationalen Organisationen beraten zwei Tage lang mit irakischen Spitzenpolitikern über die weitere Unterstützung für das kriegsverwüstete Land. Irak erwartet nach Angaben seines Planungsministers Barham Saleh »Projekte und präzise Zusagen«.

Hilfe für Irak sei nicht nur aus entwicklungspolitischen, sondern auch aus »geostrategischen« Gründen notwendig, sagte der kanadische Diplomat Michael Bell gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Wenn sich die Lage nicht stabilisiere, werde man die Folgen nicht nur regional, sondern weltweit zu spüren bekommen. Bell und Iraks Planungsminister Saleh leiten die Konferenz, die von Kanada, den Vereinten Nationen und der Weltbank im Auftrag des im Jahre 2003 gegründeten Internationalen Wiederaufbaufonds für Irak ausgerichtet wird.

Im selben Jahr 2003 hatten sich die Teilnehmer einer ersten »Geberkonferenz« in Madrid bereit erklärt, Irak in den Jahren 2004 bis 2007 insgesamt 33 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Bisher sind davon allerdings erst rund 1 Milliarde ausgezahlt worden. Grund der Verzögerung ist die ständige Verschlechterung der Sicherheitslage in Irak. Sie hält Firmen und Geldgeber davon ab, in Irak aktiv zu werden. Munkuth Jassim, Sonderberater im irakischen Industrieministerium, rief die Geberländer dazu auf, dem japanischen Beispiel zu folgen und endlich in Irak zu investieren. Japan hat zum Schutz seiner Investitionen im Umfang von 260 Millionen US-Dollar auch eigene Truppen im Lande stationiert. »Wir müssen im Land arbeiten, sonst wird alles in einer Katastrophe enden«, erklärte Jassim, dessen Industrieministerium der größte Arbeitgeber in Irak ist.

Die Weltbank unterstützt nach eigenen Aussagen derzeit in Irak Projekte im Wert von 365 Millionen US-Dollar, die über irakische Ministerien abgewickelt werden. Besonders in »attraktiven Bereichen« wie der Erdölchemie sei bereits viel investiert worden, sagte ein Weltbanksprecher. Ein Großteil des Geldes dient allerdings dazu, »die ordnungsgemäße Projektabwicklung zu gewährleisten«, heißt es bei der Weltbank. Was das genau bedeutet, ist unklar. Ein offenes Geheimnis ist indes, dass seit dem Sturz des alten Regimes gerade in den irakischen Ministerien und Behörden die Korruptionsanfälligkeit der Beamten um ein Vielfaches zugenommen hat, was – wie Planungsminister Barham Saleh zugibt – den Wiederaufbau und die internationale Hilfe gefährdet.

Schon vor dem zweitägigen Gebertreffen haben die USA und Irak Wirtschafts- und Entwicklungshilfe im Wert von 18,4 Milliarden US-Dollar vereinbart. Das Abkommen wurde vom irakischen Finanzminister Ali Allawi und dem stellvertretenden USA-Außenminister Robert Zoellick unterzeichnet. Danach soll die irakische Wirtschaft »makroökonomisch und strukturell« reformiert werden, womit vor allem die Privatisierung der Energiewirtschaft und der Landwirtschaft gemeint sein dürfte. Die USA-Regierung will die Aufnahme Iraks in die Welthandelsorganisation unterstützen und selber langfristige Wirtschaftshilfe leisten. Mit dem Abkommen sei die gesetzliche Grundlage für eine »langfristige Entwicklungspartnerschaft zwischen den USA und Irak« geschaffen worden, verkündete die US-amerikanische Entwicklungshilfeorganisation USAID. Das Abkommen sieht eine enge Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, technischen und humanitären Bereichen vor. Eine Arbeitsgruppe soll in Zukunft die wirtschaftliche Hilfe für Irak koordinieren.

Argwöhnisch verfolgt man in Washington derweil die Hilfe, die Irak aus dem benachbarten Iran zufließen soll. Vom gerade beendeten Besuch des irakischen Regierungschefs Ibrahim al-Dschafari in Teheran nahm der Gast unter anderem die Zusage eines Kredits in Höhe von einer Milliarde Dollar mit nach Hause. Zwar betont die USA-Regierung stets die Souveränität ihrer Schützlinge in Bagdad, doch deren Versöhnung mit dem »Mullah-Regime« betrachtet sie mit größtem Misstrauen.

Dabei hat Irak Kooperationspartner dringend nötig. Die Wirtschaft des Landes ist nach acht Jahren Iran-Irak-Krieg (1980-88) und 13 Jahren UN-Sanktionen (1990-2003) völlig zerrüttet. Seit der USA-geführten Invasion 2003 hat sich die Lage weiter verschlechtert. Für etliche potenzielle westliche Geldgeber ist das indes kein Grund, eigene Gewinnerwartungen zurückzustellen. Sie erwarten von Irak vor allem eine umfassende Privatisierung der bisher gemischt staatlich-privat geführten Wirtschaft. Adel Kerim, stellvertretender Chef des Industrieministeriums, erklärte bei einem Arbeitstreffen mit der US-amerikanischen Handelskammer vor der Konferenz in Jordanien denn auch, Irak wolle in einem ersten Privatisierungsschritt Zement- und Ziegelfabriken sowie Teile der pharmazeutischen Industrie verkaufen. Zu einer möglichen Privatisierung der Ölindustrie, die bisher dem Land noch ein sicheres Einkommen garantiert, wollte Kerim sich nicht äußern.



Zahlen und Fakten: Deutsche Unterstützung
  • Die Bundesregierung unterstützt den Aufbau Iraks mit 200 Millionen Euro. Federführend bei der Abwicklung der Hilfe ist das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Träger der Programme sind unter anderen deutsche Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen, der DAAD und die GTZ. Aus Gründen der Sicherheit wird sämtliche Hilfe außerhalb Iraks in Ländern wie Jordanien, Ägypten, Syrien, den Golf-Emiraten oder auch in Deutschland geleistet.
  • Entsprechend dem NATO-Beschluss vom Juni 2004 wird die Ausbildung und Ausrüstung von 1400 irakischen Polizei- und Militärkräften unterstützt.
  • Zur Stärkung des politischen Übergangsprozesses wird der Aufbau eines unabhängigen Netzwerks von 2500 Irakern gefördert, das die nächsten Wahlen Ende 2005 beeobachtn soll.
  • Irakische Journalisten werden für ein »Verfassungsradio« ausgebildet, 170 Mitarbeiter aus verschiedenen Ministerien wurden bisher geschult. Ein Stipendienprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) wird ebenfalls gefördert. Derzeit studieren 350 irakische Studenten in Deutschland, 20 Prozent davon sind Frauen.
  • Zur Rettung der irakischen Kulturgüter wird das irakische Nationalmuseum ebenso unterstützt wie – perspektivisch – der Wiederaufbau der Altstadt von Bagdad. Das Goethe-Institut plant, einen »Dialogpunkt« in Bagdad zu eröffnen. Die Bundesregierung setzt sich außerdem für einen umfassenden Schuldenerlass zu Gunsten Iraks ein.


* Aus: Neues Deutschland, 19. Juli 2005


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