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Truppenaufmarsch vor Kirkuk

Angespannte Lage um die Stadt im Nordirak. Syrische Kurden bilden Militärrat gegen Salafisten

Von Nick Brauns *

Die Lage um die sowohl von der Bagdader Zentralregierung als auch der kurdischen Regionalregierung beanspruchten Stadt Kirkuk im Nordirak bleibt angespannt. Nachdem die irakische Zentralregierung vergangene Woche einen Panzerverband in die Nähe der außerhalb der kurdischen Autonomieregion gelegenen Stadt Kirkuk geschickt hatet, stationierte die kurdische Regionalregierung am Wochenende ihrerseits 125 Panzer in der Provinz. Anfang letzter Woche waren bei einem Gefecht zwischen kurdischen Peshmerga und der irakischen Armee bei der Stadt Tikrit 13 irakische Soldaten getötet worden. Auslöser des Streits war die Ankündigung des irakischen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki, Einheiten einer neu gebildeten Tigris-Operations-Armee in die sowohl von Kurden als auch Arabern und Turkmenen bewohnte Region, in der die zweitgrößten Ölvorräte des Irak lagern, zu verlegen. »Wir werden Kirkuk nicht betreten, aber wir werden der irakischen Armee das auch nicht erlauben«, erklärte der stellvertretende Peshmerga-Minister Anwar Haji Osman. »Wenn sie die rote Linie überschreiten, werden wir sie angreifen.«

Am Wochenende schlug der kurdische Präsident Masud Barsani ein Vermittlungsangebot des schiitischen Predigers und Politikers Moqtada Al-Sadr aus, der Barsani zu einem direkten Gespräch mit Al-Maliki bewegen wollte. Wohl auch auf Druck der USA, die eine erneute Stationierung von Besatzungstruppen in dem umstrittenen Gebiet in Aussicht stellten, bemühen sich Bagdad und Erbil dennoch auf diplomatischem Weg um eine Lösung.

Angesichts zunehmender Angriffe von Dschihadisten auf syrisch-kurdische Städte einigten sich unterdessen kurdische Parteien in Syrien auf die Bildung eines gemeinsamen Militärrates. Die dominante Partei der demokratischen Union (PYD) willigte ein, ihre Volksverteidigungseinheiten YPG mit Hunderten bislang noch in Barsanis Camps im Nordirak stationierten kurdischen Deserteuren der syrischen Armee aufzustocken. Vergangene Woche war es zu schweren Gefechten mit Dutzenden Toten zwischen aus der Türkei mit Panzern nach Syrien eingedrungenen Dschihadisten der Al-Nusra-Front und des Ghuraba-Al-Sham-Bataillon und den YPG in der Stadt Ras Al-Ain (kurdisch Serekani) gekommen. In einer Videobotschaft beschuldigte Ghuraba-Al-Sham die PYD deswegen »konterrevolutionärer Akte«.

Der aus der Arbeiterpartei Kurdistans PKK hervorgegangene Dachverband der Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans KCK bewertete die Angriffe der von Ankara unterstützten Salafisten als »kolonialistische Attacken der Türkei«. Die KCK rief die Zivilbevölkerung zum Schutz der Grenzübergänge nach Syrien bei Antep, Urfa und Mardin auf. Hunderte Menschen folgten in den letzten Tagen diesem Aufruf. Vier Abgeordnete der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) wurden von der türkischen Polizei festgenommen, nachdem sie ein Flüchtlingslager bei Viransehir besucht hatten.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 27. November 2012


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