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Mission der Zerstörung

Neue Irak-Konferenz beginnt in Ägypten

Von Karin Leukefeld * Vier Jahre nach dem offiziellen Ende des Irakkrieges ist die »Friedensbilanz« militärisch, politisch und wirtschaftlich desaströs.

Am Jahrestag der historischen »Mission accomplished« Rede von USA-Präsident George W. Bush ist die Bilanz des USA-Feldzuges in Irak nicht nur aus militärischer Sicht verheerend. Vier Jahre nachdem er auf dem Flugzeugträger USS Abraham Lincoln am 1. Mai 2003 das Ende des Krieges verkündet hatte, ergab eine Untersuchung des US-amerikanischen »Generalinspektors für den Wiederaufbau in Irak«, dass sieben von acht angeblichen »Erfolgsprojekten« im Wert von rund 150 Millionen US-Dollar nach nur sechs Monaten Laufzeit nicht oder nicht mehr funktionierten. Als Gründe wurden fehlender Strom, Konstruktionsfehler, mangelhafte Wartung und Plünderungen genannt, überdies liege teures Material ungenutzt in Lagern herum. Das zuständige »Managementbüro für den Wiederaufbau in Irak«, angesiedelt in der USA-Botschaft in Bagdad, wies den Bericht zurück.

Weder das USA-Militär noch die irakische Regierung können das Land regieren. Im Weißen Haus debattiert man inzwischen offen über mögliche Nachfolger für den irakischen Ministerpräsidenten Nuri al Maliki, dem es seit Amtsantritt 2006 nicht gelungen ist, eine stabile politische Mehrheit, geschweige denn Polizei und Armee, hinter sich zu scharen. Sein 24-Punkte-Plan der nationalen Versöhnung stagniert, seine Anordnungen verhallen ungehört.

Für die Iraker geht es jeden Tag um Leben und Tod, wobei nicht jede Bombe noch eine Meldung wert ist. »Hast Du von dem Anschlag in Sadr City gehört«, fragt Rafid, ein Freund aus Bagdad am Telefon. »Unser Freund Jussuf wollte seinen Kollegen nach Hause bringen. Mein Gott, sie haben kein Glück gehabt, beide wurden getötet.« Jussuf, der Christ, und sein Kollege, ein Schiit aus Sadr City, arbeiteten als Ingenieure in der gleichen Firma. Religionszugehörigkeit spielte nie eine Rolle, erinnert sich Rafid, der seine Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Das Leben sei kaum noch zu meistern, sagt er: »Jeden Morgen, wenn wir aus dem Haus gehen, wissen wir nicht, ob wir am Abend zurückkehren.«

»Die Regierung muss sofort handeln oder zurücktreten«, fordert Mohammed Nasser Jamil, Dozent für Internationale Politik an der Bagdad Universität. »Das Land bricht auseinander, es braucht eine sinnvolle Politik um die Menschen zu retten.« In dem neuesten Bericht der UNUnterstützungsmission für den Irak (UNAMI) wird ein düsteres Bild gezeichnet. Die Gewalt nehme zu, ebenso die Zahl von Vertriebenen, immer häufiger würden Minderheiten und bestimmte Berufsgruppen angegriffen, die Lebensmittelversorgung sei nicht mehr gesichert.

»Die humanitäre Krise verschlimmert sich rapide«, so der UN-Bericht. Nach Einschätzung der UN zeichnet sich der amerikanisch-irakische Sicherheitsplan »Operation Gesetz und Ordnung« eher durch »Straflosigkeit und einen Zusammenbruch von Gesetz und Ordnung« aus. In einem Interview mit dem IPSNahostkorrespondenten Dahr Jamail meinte ein Vertreter der irakischen Baathpartei, die amerikanische Öffentlichkeit werde über die Lage in Irak belogen. »Bush belügt sie. Die Zahl der amerikanischen Todesopfer ist höher als man ihnen sagt, um Tausende höher.«

Einen »möglichst raschen Truppenrückzug« empfiehlt eine Studie der liberalen Oxford Forschungsgruppe (ORG). Der Irakkrieg habe die Welt unsicherer gemacht, heißt es darin. Die Mehrheit der Weltbevölkerung halte die USA für die »größte Bedrohung für den Weltfrieden«. Die Wissenschaftler schlagen statt der USA-Präsenz den Einsatz einer UN-Stabilisierungstruppe vor. Das Wichtigste sei der »politische Dialog«, auch mit Führern der Widerstandsgruppen. Flankiert werden müsse die Strategie mit Aufbauhilfe.

Um den Wiederaufbau in Irak soll es auch bei einer internationalen Irak-Konferenz diesen Donnerstag und Freitag im ägyptischen Badeort Scharm el Sheikh gehen. Nach Angaben der Vereinigten Staaten will Saudi-Arabien dort einen weitgehenden Schuldenerlass für Irak bekanntgeben. Diese sollen sich auf bis zu 18 Milliarden Dollar belaufen. Neben den Außenministern der Nachbarländer Iraks werden auch die Vereinten Nationen, die Arabische Liga, die EU, die sechs ständigen Vertreter des UN-Sicherheitsrates sowie die Außenminister der G 8- Staaten teilnehmen. Zwar heißt es unter den Diplomaten, die das Treffen in einem Golf-Hotel vorbereiten, über den Text der Schlusserklärung bestehe schon weitgehend Einigkeit. Doch schon nach früheren Irak-Konferenzen in Kairo und Bagdad waren auf die schönen Worte kaum Taten gefolgt.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Mai 2007


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