Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Besuch bei den Kurden

Iraks Premier Al-Maliki sieht sich zu einer Reise in den Norden gedrängt

Von Karin Leukefeld *

Der Druck der US-Administration machte es möglich: Der irakische Premier Nuri Al-Maliki hat erstmals in seiner Amtszeit den kurdischen Autonomieprovinzen einen Besuch abgestattet. In Dukan, einem beliebten Sommerferienort, traf Maliki mit dem irakischen Staatspräsidenten und kurdischen Clanführer Dschalal Talabani zusammen. Auch der gerade wiedergewählte Präsident der Autonomen Region Kurdistan, Massud Barsani, nahm an dem Treffen teil.

Talabani und Barsani führen die beiden größten Parteien im kurdischen Nordirak, die Patriotische Union Kurdistans (PUK, Talabani) und die Demokratische Partei Kurdistans (KDP, Barsani). Beide mußten jüngst bei den Wahlen zum Regionalparlament in Arbil Federn lassen. Die erstmals angetretene Oppositionspartei »Change« des früheren PUK-Peschmergaführers Newschirwan Mohammad, erreichte auf Anhieb 23 Prozent der Stimmen.

Sechs Jahre nach dem Sturz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein ist das Verhältnis zwischen Arbil und Bagdad so angespannt, daß der Oberkommandierende der US-Besatzungstruppen im Irak, General Ray Odierno, darin die Hauptursache für anhaltende Instabilität sieht. Würden Kurden und die Zentralregierung ihre Konflikte lösen, könnten die US-Truppen noch vor 2011 aus dem Irak abziehen, erklärte US-Verteidigungsminister Robert Gates. Mehr als einmal mußten US-Militärs sich schlichtend zwischen kurdische Peschmerga-Kämpfer und irakische Soldaten stellen, die an der umstrittenen Grenze zu den kurdischen Provinzen aneinandergeraten waren.

Beim Streit zwischen den Vertretern des Autonomiegebiets und des übrigen Irak geht es um Kirkuk und schwarzes Gold. Arbil will in den kurdischen Provinzen liegenden Öl- und Gasquellen auf eigene Rechnung ausbeuten und hat bereits mit ausländischen Firmen Verträge abgeschlossen. Barsani, Sohn des legendären Kurdenführers Mullah Mustafa Barsani, unterstrich kurz vor dem Besuch von Al-Maliki erneut den Anspruch auf Kirkuk, das »Herz Kurdistans«. Dessen Öl und Gas würden einem zukünftigen kurdischen Staat in der Tat Unabhängigkeit und Reichtum garantieren. Bagdad lehnt den Alleingang ab und bietet den Kurden statt dessen 16 Prozent der nationalen Öleinnahmen an. Das entspricht deren Anteil an der irakischen Gesamtbevölkerung.

Doch Arbil beharrt darauf, Kirkuk in die Autonomiegebiete einzuverleiben und fordert die Durchführung eines Referendums, das 2005 in der irakischen Verfassung verankert wurde. Zudem hat die Autonomieregierung gezielt Tausende Kurden dabei unterstützt, sich in Kirkuk wieder anzusiedeln. Dazu wurden Sondereinheiten der Peschmerga in die Stadt entsandt. Kurden dominieren nicht nur die örtliche Polizei, sondern auch die Verwaltung. Irakische Araber, Turkmenen und Assyrer sehen dadurch ihre Präsenz bedroht.

Ähnliches spielt sich auch in Mosul und Umgebung ab, eine Region, die Arbil ebenfalls übernehmen möchte. Bagdad weigert sich, das Referendum umzusetzen und sieht sich dabei als Anwalt der ebenfalls in Kirkuk lebenden Volksgruppen von Arabern, Turkmenen und Assyrern. Auch die Vereinten Nationen, die Nachbarländer Türkei, Iran und Syrien sowie die USA und die EU befürchten, ein Referendum über die Zukunft Kirkuks könnte zu neuen Konflikten und Kämpfen führen.

* Aus: junge Welt, 5. August 2009


Zurück zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage