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Überraschende Einladung aus Bagdad: UN-Waffeninspekteure willkommen

"Ablenkungsmanöver" oder ernsthafter Vorschlag? Schröder gegen, Schäuble für Krieg

Im Folgenden veröffentlichen wir zunächst einen Beitrag von Karin Leukefeld zu den Kriegsvorbereitungen der USA und den diplomatischen Abwehrversuchen des Irak. Außerdem ergänzen wir den Artikel (er erschien auch in der Zeitung "junge Welt" vom 3. August 2002) um eine aktuelle Meldung aus der Bundesregierung: Sie wendet sich entschieden gegen einen Krieg.


Einladung aus Bagdad
Irak: UN-Waffeninspekteure willkommen. London spricht von "Ablenkungsmanöver"

Von Karin Leukefeld


Medienwirksam zum zwölften Jahrestag des irakischen Einmarsches in Kuwait am 2. August 1990 hat Außenminister Naji Sabri in Bagdad erklärt, der Irak sei bereit, die UN-Waffeninspekteure einreisen zu lassen. Die noch offenen Fragen sollten möglichst bald mit Hans Blix, dem Leiter des UN-Inspektorenteams, in Bagdad geklärt werden. Ein entsprechendes Schreiben habe er UN-Generalsekretär Kofi Annan übermittelt, sagte Sabri am 2. August 2002.

Rußland begrüßte die neue Entwicklung. Der irakische Vorschlag sei ein wichtiger Schritt in Richtung einer Lösung der Frage mit politischen und diplomatischen Mitteln, erklärte das Außenministerium in Moskau. Der stellvertretende Außenminister Alexander Saltanow hatte sich in den letzten Tagen zu Gesprächen in Bagdad aufgehalten.

Die britische Regierung zeigte sich indes skeptisch. Saddam Hussein sei für seine "Ablenkungsmanöver" bekannt, teilte das Außenministerium in London mit. Die irakische Regierung hatte Großbritannien schon mehrfach eingeladen, vor Ort die Beschuldigungen nachzuweisen, der Irak entwickele nukleare oder andere Massenvernichtungswaffen.

Von der Bundesregierung lag bei Redaktionsschluß noch keine Stellungnahme vor. Für einen möglichen US-Angriff auf Irak gebe es "keinerlei Zusagen, daß Deutschland und wie Deutschland sich beteiligen würde", sagte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering in Berlin.

Die Türkei kündigte derweil eine neue diplomatische Initiative an, um einen Angriff der USA auf Irak zu verhindern. Außenminister Sükrü Sina Gürel werde deshalb in der kommenden Woche nach Jordanien reisen, berichtete die Wochenzeitung Cumhuriyet unter Berufung auf diplomatische Kreise in Ankara. Die Türkei ist wie alle Nachbarländer Iraks grundsätzlich gegen eine Militäraktion.

Blix leitet seit gut einem Jahr die UN-Behörde UNMOVIC, die Nachfolgerin der UN-Kommission für die Abrüstung Iraks (UNSCOM). Ziel der Inspektionen ist, alle im Irak vermuteten Massenvernichtungswaffen zu zerstören. Nach dem früheren UN-Inspektor Scott Ritter wurden bis 1998 bereits 90 bis 95 Prozent dieser Waffen und Produktionsanlagen zerstört. Im Dezember 1998 verließ das Inspektorenteam den Irak mit der Begründung, die Regierung in Bagdad sei unkooperativ. Kurz darauf wurde die irakische Hauptstadt Ziel viertägiger amerikanischer und britischer Luftangriffe. Gezielt wurden Einrichtungen zerstört, die von den Inspektorenteams zuvor untersucht und als harmlos bezeichnet worden waren. Seitdem verweigert Bagdad den Waffeninspektoren die Einreise. Sie hätten geheimdienstliche Nachrichten gesammelt und Ziele für die Luftangriffe markiert, so die Begründung. Ehemalige Waffenkontrolleure bestätigen mittlerweile die Vorwürfe. Zuletzt hatte auch der Schwede Rolf Ekéus erklärt, daß aus den Inspektorenteams heraus Spionageaufträge für die USA ausgeführt worden seien. In einem Interview mit dem britischen Rundfunksender BBC sagte Ritter am Freitag, das Angebot Bagdads werfe "die Kriegsmaschinerie" der USA "über den Haufen". Saddam Hussein habe erkannt, daß dies der einzige Weg sei, um die Wirtschaftssanktionen zu beenden.

Die USA und Großbritannien behaupten weiterhin, der Irak produziere chemische und biologische Massenvernichtungswaffen und strebe nach der Atombombe. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte, der Irak habe seine Waffenlabors "tief unter der Erde" und auf "fahrenden Containern" installiert. Angeblich will man vor wenigen Tagen mitten in Bagdad ein unterirdisches Giftgaslabor ausgemacht haben. Dies werde jetzt anhand von Satellitenaufnahmen überprüft, so Rumsfeld.

Vor einer Anhörung des Senatsausschusses für Auswärtige Angelegenheiten kritisierten in den vergangenen beiden Tagen US-Senatoren die mangelnde Beweislage für derartige Vorwürfe. Eine Entscheidung zum Krieg gegen den Irak dürfe nicht ohne eine Zustimmung des Kongresses gefaßt werden, hieß es dort mehrfach.

Beim Besuch des jordanischen Königs Abdullah II. beharrte US-Präsident George W. Bush am Donnerstag in Washington auf dem Sturz des Regimes in Bagdad. Abdullah erklärte, Jordanien sei anderer Meinung als die USA. Als Nachbarland unterhält Jordanien enge Wirtschaftsbeziehungen mit dem Irak. Bush hat derweil das US-Embargo gegen den Irak um ein weiteres Jahr verlängert.

Erschien als Artikel in "junge Welt, 3. August 2002


Schröder gegen, Schäuble für Krieg

Die Bundesregierung gab am 2. August folgende Stellungnahme ab:
Vor dem Hintergrund beunruhigender Nachrichten aus dem Nahen Osten, in denen auch von Kriegsgefahr die Rede ist, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder betont, dass die Bundesregierung ihre ruhige und seriöse Arbeit in der internationalen Politik fortsetzen werde.

"Ich denke, wir haben nach dem 11. September letzten Jahres bewiesen, dass wir besonnen und im Interesse der Sicherheit unserer Menschen handeln, dass wir solidarisch sind mit der Staatengemeinschaft, mit den Freunden in den Vereinigten Staaten, dass wir aber für Abenteuer nicht zur Verfügung stehen. Dabei bleibt es", sagte Schröder am 1. August 2002 im Interview mit dem ZDF-"heute journal".

Gemeinsam hatten Frankreich und Deutschland bereits bei ihrem Gipfeltreffen in Schwerin am 30. Juli unterstrichen, dass es - mit Blick auf einen möglichen US-Angriff auf den Irak - ohne die Legitimation durch die Vereinten Nationen weder auf der einen noch auf der anderen Seite eine Mehrheit für eine Intervention gäbe. Schröder erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass das Grundgesetz eine Beteiligung an militärischen Operationen nur aufgrund einer entsprechenden UN-Resolution erlaube. Auch müsse der Deutsche Bundestag jeder militärischen Intervention zustimmen. US-Präsident George Bush habe zudem mehrfach Konsultationen zugesagt, bevor hier Entscheidungen fallen, so der Bundeskanzler.

Zitiert nach der Homepage der Bundesregierung

Wolfgang Schäuble in "Bild am Sonntag"
Der außenpolitische Experte Wolfgang Schäuble im "Kompetenzteam" des Kanzlerkandidaten der Union, befürwortete in einem Interview der "Bild am Sonntag" am 4. August 2002 eine deutsche Beteiligung am US-Krieg gegen Irak. Er sagte u.a. wörtlich: "Sollte es zu einer Aktion gegen den Irak kommen, würde dies auf Grund einer klare Beschlusslage der Vereinten Nationen erfolgen." Und: "Sie können davon ausgehen, dass sich Deutschland in diesem Fall in einer angemessenen Form beteiligen würde."


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