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Briten in Basra unter Beschuss

Blutige Auseinandersetzungen nach Hubschrauberabsturz

Von Karin Leukefeld*

Das britische Militär hat eine Untersuchung der schweren Zusammenstöße mit mehreren Toten nach einem Hubschrauberabsturz in der südirakischen Stadt Basra begonnen. Die britischen Soldaten sind in Irak nicht so verhasst wie die US-Amerikaner, doch als Besatzer gelten sie allemal. Das zeigte sich am Sonnabend, als es nach dem Absturz eines britischen Militärhubschraubers in der südirakischen Hafenstadt Basra zu tumultartigen Freudenkundgebungen der irakischen Bevölkerung kam. Beim Versuch, den Absturzort in einem Wohngebiet abzuriegeln, wurden die britischen Soldaten mit Steinen und Flaschen beworfen, Molotowcocktails setzten britische Panzer in Brand. Bei einem Schusswechsel zwischen den Soldaten und vermutlich Mitgliedern einer Miliz kamen nach BBC-Angaben mindestens fünf Personen ums Leben. Die vier Besatzungsmitglieder haben den Absturz nicht überlebt, der möglicherweise durch Granatbeschuss verursacht wurde.

Namentlich nicht genannte Militärkreise sagten der BBC am Sonntag, die tödlichen Schüsse auf irakische Zivilisten seien nicht von britischen Soldaten, sondern vermutlich von Aufständischen abgefeuert worden. Diese hätten aus der Menge heraus auf britische Soldaten geschossen und dabei Zivilisten – darunter auch zwei Kinder – getroffen. Das britische Militär leitete nach eigenen Angaben eine Untersuchung der schweren Zusammenstöße ein. Der Gouverneur von Basra und das britische Militär verhängten umgehend eine Ausgangssperre, die Lage hat sich inzwischen beruhigt.

Auch in anderen Teilen Iraks kam es wieder zu Anschlägen. Nur einen Tag nach den Unruhen in Basra detonierten in Bagdad und Kerbala mehrere Autobomben. Während neben zivilen Opfern im Bagdader Stadtteil Adhamija eine Gruppe irakischer Polizisten getötet wurden, waren die Opfer der Explosion im Zentrum von Kerbala ausschließlich Zivilisten. Besonders mit dem Anschlag in Kerbala wollen die unbekannten Täter wohl die Spannungen zwischen den beiden großen muslimischen Religionsgruppen, Sunniten und Schiiten, verschärfen. Der Anschlag auf die Polizeipatrouille in Bagdad könnte hingegen einer Widerstandsgruppe patriotischer Iraker zugerechnet werden, die vor allem die ausländischen und irakischen Truppen angreifen, die vielfach als Kollaborateure angesehen werden.

Die Regierungsbildung unter Jawad al-Maliki soll nach dessen Aussagen bis zum 10. Mai abgeschlossen sein. Offenbar soll auch der frühere Übergangsministerpräsident, Ijad Allawi, einen Ministerposten erhalten. Zwischen US-Botschafter Zalmay Khalilzad und Ibrahim al-Dschafari war es über Allawi zu einem heftigen Streit gekommen, der schließlich zu Dschafaris Rückzug führte.

Khalilzad will Allawi als zukünftigen Innenminister sehen, während der »Hohe Rat für eine Islamische Revolution im Irak« (SCIRI) darauf besteht, das Ministerium weiter zu führen. Der kurdische Parlamentsabgeordnete Mahmud Osman forderte, dass sowohl das Verteidigungs- als auch das Innenministerium von »starken und neutralen Patrioten geführt werden müssen.« Ijad Allawi wird ein solcher Posten selbst von seinen politischen Gegnern zugetraut. Als mögliche Alternative zu einem Ministeramt wird für Allawi auch der Posten des Generalsekretärs des Nationalen Sicherheitsrates gehandelt. Das Gremium ist für die Sicherheits- und Wirtschaftspolitik des Landes zuständig, ihm gehören die 19 höchstrangigen irakischen Politiker an.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Mai 2006


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