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Schwierige Versöhnung in Irak

15 bis 20 Widerstandsgruppen angeblich zum Dialog bereit

Von Karin Leukefeld *

Glaubt man dem Bagdader Minister für einen Nationalen Dialog, Akram al-Hakim, haben sich zwischen 15 und 20 Gruppen des irakischen Widerstandes zu einem Dialog im Rahmen des Versöhnungsplans bereit erklärt.

Als wichtigste Bedingungen für den Dialog, so Minister Akram al-Hakim, seien ein Zeitplan für den Abzug der ausländischen Truppen genannt worden und die Auflösung der schiitischen Milizen, die man für Morde an sunnitisch-arabischen Irakern verantwortlich macht. Die Gruppen müssten sich zu erkennen geben und nachweisen, dass sie lediglich ausländische Truppen, nicht aber irakische Zivilisten angegriffen hätten, betonte Hakim. Gegen einen Zeitplan zum Truppenabzug habe die Regierung nichts einzuwenden. »Das wünschen wir uns alle.« Für die Auflösung der schiitischen Milizen müsse ein allseits akzeptierter Modus gefunden werden.

Zustimmung signalisierte Hakim auch zu der Forderung, ehemalige Offiziere der irakischen Armee zu rehabilitieren. Es sei möglich, die irakische Armee »von Grund auf« neu zu organisieren. Auch das »Entbaathifizierungsgesetz« aus dem Jahr 2003 könne möglicherweise abgeschafft werden. Danach hatten viele Beamte nicht nur ihre Arbeit verloren, sondern ihnen war grundsätzlich der Zugang zum Staatsdienst untersagt worden.

Nach einem Bericht des UN-Informationsnetzwerks (IRIN) wollen elf Gruppen aus dem bewaffneten Widerstand ihre Angriffe auf die USA-Truppen einstellen, sofern diese sich verpflichteten, innerhalb der nächsten zwei Jahre abzuziehen. Unbestätigten Presseberichten zufolge, gehören zu den gesprächsbereiten Gruppen die Revolutionsbrigaden 1920, die Mohammad Armee, die Helden Iraks, die Gruppe des 9. April, die Brigade Generalkommando der Streitkräfte und die Al-Fatihin Brigaden.

Ministerpräsident Nuri al-Maliki hatte seinen »Plan zur Nationalen Versöhnung« vor zwei Wochen im irakischen Parlament vorgetragen. Um seine Entschlossenheit zu unterstreichen, ging er inzwischen öffentlich auf Distanz zu den USA-Truppen in Irak. Die Ereignisse in Mahmudija, wo im März eine junge Irakerin von US-amerikanischen Soldaten vergewaltigt und dann mit ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester getötet worden war, würden »wie schon andere Vorfälle davor von den Irakern mit Trauer und Schmerz verurteilt«, so Maliki, »Rücksichtslose Soldaten« sollten »besser zu Hause bleiben«. Ein Erlass aus der Zeit der USA-Besatzungsverwaltung (2003/04) über die Straffreiheit ausländischer Truppen müsse »überprüft werden«, sagte Maliki gegenüber Journalisten in Bagdad. Diese »ermutige« die Soldaten nur.

Die Sunnitische Vereinigung der Muslimgelehrten (AMS) forderte derweil die Überarbeitung der Verfassung. Das sei »ein Versprechen, das gehalten werden muss«, betonte deren Sprecher Harith al-Dhari und bezeichnete den Versöhnungsplan als fehlerhaft. »Wenn er (Maliki) wirklich Frieden bringen will, müssen alle Gruppen einbezogen werden« – egal, was geschehen sei. »Das ist der einzige Weg, um zu zeigen, dass wir wirklich Demokratie haben.« Sowohl die Vereinten Nationen als auch die Europäische Union haben bereits technische Unterstützung für die Überarbeitung der irakischen Verfassung angeboten.

Nach Meinung von Joost Hiltermann von der Internationalen Krisengruppe (ICG) wäre ein umfassendes Friedensabkommen die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Verfassungsrevision. »Wenn zentrale Themen wie der Föderalismus, die Landfrage in Kirkuk und die Rohstoffverteilung gelöst werden können, kann auch die Verfassung überarbeitet werden.« Die Sunniten favorisierten »einen Verwaltungsföderalismus anstelle eines ethnisch oder religiös strukturierten Föderalismus«. Hinsichtlich des USA-Militärs in Irak warnte Hiltermann vor einem sofortigen Truppenrückzug, der einen Bürgerkrieg auslösen könnte. Man brauche einen starken politischen Prozess, »eine militärische Lösung funktioniert nicht«.

Ministerpräsident Maliki hat derweil in den arabischen Nachbarstaaten Saudi-Arabien, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten erfolgreich um Unterstützung für den Versöhnungskurs seiner Regierung geworben. Die Arabische Liga plant für Mitte Juli eine weitere Konferenz, um den Versöhnungsprozess voranbringen. Man habe sowohl Vertreter aller irakischen Parteien als auch religiöse Führer eingeladen, so Alaa Roushdy, der Sprecher von Generalsekretär Amr Musa. Der irakische Parlamentssprecher Machmud al-Mashadadani bezeichnete es als »Katastrophe«, würde die bevorstehende Konferenz ergebnislos bleiben.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Juli 2006


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