Magere Beute
Ölmultis steigen in großem Stil in die irakische Förderung ein. US-Konzerne gingen bisher weitgehend leer aus
Von Joachim Guilliard *
Mitte Dezember ging in Bagdad die zweite Bieterrunde über die Bühne, in
der sich internationale Konzerne um milliardenschwere Serviceaufträge
für den Ausbau der irakischen Ölförderung bewerben konnten. Die erste
öffentliche Auktion fand im Juni statt. Dort hatten sich nur British
Petroleum und die China National Petroleum Corporation (CNPC) bereit
gefunden, auf die Bedingungen der irakischen Regierung einzugehen und
sich gemeinsam die Arbeiten am riesigen Rumaila-Feld gesichert - dem
größten Ölfeld des Iraks.
Angeboten wurden reine Dienstleistungsverträge mit dem Ziel, die
Fördermenge des betroffenen Ölfeldes auf ein festgelegtes Niveau zu
bringen. Die Auftragnehmer begleichen dabei zunächst die
Investitionskosten - pro Feld einige Milliarden Dollar -, bekommen das
Geld jedoch zurückerstattet, sobald eine gewisse Produktionssteigerung
erreicht ist. Als Entgelt erhalten sie einen festen Betrag für jedes
zusätzlich geförderte Barrel Öl. Bei Laufzeiten von 20 Jahren können sie
dabei zwar durchaus Milliarden verdienen, erhalten aber nach wie vor
weder Anteile am geförderten Öl noch die Kontrolle über die Quellen.
Schlechtere Konditionen
Westliche Wirtschaftsexperten, erbost über die dürftigen Angebote, die
das kriegsgeschädigte, bankrotte Land den Ölmultis zu unterbreiten
wagte, wollten die Zurückhaltung der Firmen daher als Scheitern werten,
das vorhersehbar gewesen sei. Ihre Hoffnung, daß der Irak bald
»nachbessern« würde, erfüllte sich jedoch nicht. Statt dessen paßten im
Herbst zwei weitere Konsortien ihr Gebot den irakischen Vorstellungen an
und unterzeichneten Vorverträge. Die italienische ENI verpflichtete sich
nun zusammen mit der US-amerikanischen Occidental Petroleum Oil und der
südkoreanischen KoGas, zehn Milliarden US-Dollar zu investieren, um den
Output des Zubair- Feldes in sieben Jahren von 200000 auf 1,1 Millionen
Barrel pro Tag (b/d) zu steigern. Die Ölgiganten Exxon Mobile und Royal
Dutch Shell teilten sich den Auftrag, das Fördervolumen von West-Kurna-1
von 280000 auf 2,1 Millionen b/d zu erhöhen. Kurz vor Vertragsabschluß
stehen zudem drei japanische Firmen.
Bei der aktuellen Runde beeilten sich nun weitere Konzerne, Zugang zum
irakischen Ölgeschäft zu bekommen und akzeptierten dabei sogar noch
schlechtere Konditionen als die Vorreiter BP und CNPC. Während diese
zwei US-Dollar für jedes zusätzliche Barrel erhalten, begnügten sich nun
Shell und der staatliche Ölkonzern Malaysias Petronas beim
Majnoon-Ölfeld mit 1,39 US-Dollar. Die russische Lukoil gab sich sogar
mit 1,15 Dollar für den Ausbau von West-Kurna-2 zufrieden.
Insgesamt wurden bei der zweiten Runde Aufträge für sieben Ölfelder
vergeben. CNPC hat sich im Verein mit der französischen Total und
Petronas noch einen weiteren Auftrag gesichert. Petronas führt zudem ein
Konsortium zur Erschließung des Gharaf-Feldes an. Auffällig ist, daß mit
Exxon Mobile und Occidental Petroleum Oil nur zwei der sieben
involvierten US-Konzerne zum Zuge kamen. Die anderen wollten oder
konnten sich offenbar nicht mit den für sie ungewohnten Bedingungen
arrangieren. Damit ist, so Pepe Escobar von der Asia Times, der Traum
von Cheney, Rumsfeld und Co endgültig geplatzt.
Gegen Auslandsfirmen
Falls alles wie geplant läuft, könnte der Irak seine Kapazität innerhalb
von dreizehn Jahren auf über zwölf Millionen b/d steigern. Damit würde
er Saudi-Arabien, den aktuell größten Produzenten, überflügeln. Es
verfügt über eine Kapazität von knapp elf Millionen b/d, fördert aber im
Moment nur etwa acht Millionen b/d. Vorerst müssen sich die Saudis
allerdings keine Sorgen machen, daß der Irak das weltweit verfügbare
Angebot an Rohöl bald ähnlich stark beeinflussen kann wie sie. Experten
gehen davon aus, daß die Konzerne sowohl die zu erreichenden
Fördermengen als auch die Geschwindigkeit des Ausbaus stark übertrieben
haben. So erklärte der Chef des französischen Ölmultis Total, Christophe
de Margerie, eine Produktionskapazität von zehn bis zwölf Millionen b/d
für völlig unrealistisch. Angesichts der nach wie vor ungünstigen
Sicherheitsbedingungen, der Widerstände in den irakischen Ölfirmen,
juristischer Hindernisse etc. scheinen die Zeitvorgaben nicht viel mehr
als Wunschvorstellungen zu sein.
Auch wenn die Ölmultis nur Serviceaufträge erhielten, so ist das den
meisten Irakern noch viel zu viel. Sie fürchten, daß diese allein durch
die gewaltigen Dimensionen der Ausbaumaßnahmen, die das ganze Land
umkrempeln werden, einen starken Einfluß auf die gesellschaftliche
Entwicklung nehmen können. Viele sehen nicht ein, wofür man
ausländischen Konzernen einen erheblichen Teil der Öleinnahmen
hinterherwerfen soll. Die Führungskräfte der staatlichen Firmen sind
überzeugt, daß sie die Vorhaben auch aus eigener Kraft schaffen, etwas
langsamer, dafür nachhaltiger - vorausgesetzt, der Wille in der Führung
des Landes wäre vorhanden.
Natürlich könnte der Staat zusätzliche Gelder gut gebrauchen. Unter den
aktuellen Machtverhältnissen haben die meisten Iraker wenig Hoffnung,
daß bei ihnen viel davon ankommt. Trotz der erheblichen Öleinnahmen der
letzten Jahre hat sich beim Wiederaufbau der Infrastruktur, des
Gesundheitswesens, des Bildungssystems etc. nicht viel getan. Ein
erheblicher Teil des Geldes versackte durch Inkompetenz und Korruption -
Irak liegt hier an der Weltspitze - oder floß in den Krieg gegen die
Opposition im Land.
Wacklige Grundlage
Die Ölfelder im Süden werden als relativ sicher angesehen. Daher
konzentrierten sich auf diese auch die Gebote. Nur die Angolaner wagten
sich an Ölfelder im Norden, wo allerdings in den letzten Monaten
Anschläge auf Pipelines den Export mehrfach für jeweils eine Woche
unterbrachen. Die großen Ölfelder im Süden liegen zum Teil jedoch im
Gebiet der Stämme, die in den 1920er Jahren im Kampf gegen die Briten
führend waren und auch in den vergangenen Jahren maßgeblich dazu
beitrugen, daß die Briten geschlagen aus dem Südirak abziehen mußten.
Sollte es der Regierung und Ölmultis nicht gelingen, die Opposition
gegen die ausländische Konzerne durch erhebliche materielle
Verbesserungen, Jobs etc. zu dämpfen, so könnten sie nach Ansicht von
Reidar Visser, einem Kenner der Verhältnisse im Südirak, auch hier
leicht »nigerianische Zustände« bekommen.
Daß dies nicht pure Spekulation ist, zeigt der Aufstand einiger Dörfer
rund um das Ahdad-Ölfeld im April dieses Jahres gegen den chinesischen
Staatskonzern CNPC, der dort die Arbeiten auf Basis eines alten
Vertrages aufgenommen hat. Da sie nach ein paar Monaten weder Jobs noch
eine Verbesserung der örtlichen Infrastruktur sahen, entlud sich der
Zorn der Dorfbewohner in Sabotage an Einrichtungen und Abtransport von
Material und Maschinen.
Erheblichen Widerstand gegen die Abkommen gibt es auch im Parlament.
Dessen Öl- und Gasausschuß besteht darauf, daß ihm alle Verträge mit
ausländischen Firmen - wie vom alten, noch geltenden Ölgesetz zwingend
vorgeschrieben - zur Zustimmung vorgelegt werden müssen. Einige
Abgeordnete haben auch bereits Klage gegen die Kontrakte eingereicht.
Niemand weiß, wie es nach den Parlamentswahlen im Frühjahr weitergehen
wird. Aufgrund der wackligen Rechtsgrundlage, auf der die Abkommen
geschlossen wurden, könnte eine neue Regierung sie prinzipiell auch
jederzeit annullieren. Für die westlichen Konzerne gibt es dagegen -
angesichts der Vertragslaufzeiten von 20 Jahren - nur eine Garantie: die
fortgesetzte Präsenz der US-amerikanischen Truppen.
* Aus: junge Welt, 31. Dezember 2009
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