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Kampf um Öl und Macht

Der Zugriff irakischer Firmen auf die eigenen Ressourcen soll per Gesetz unterbunden werden. Doch der Widerstand dagegen wächst

Von Karin Leukefeld *

Seit Sommer 2006 liegt in Bagdad ein Gesetzentwurf zur zukünftigen Kontrolle der irakischen Ölressourcen vor. Nachdem Washington und New York (IWF) ihn für gut befunden hatten, sorgte er im März 2007 im Kabinett von Ministerpräsident Nuri Al Maliki allerdings für Streit. Im April sollte das Parlament sich damit befassen, doch bis heute haben die meisten Abgeordneten den Entwurf noch nicht einmal zu Gesicht bekommen. Erst fehlte es an Kopien in ausreichender Menge, dann wieder fielen Sitzungen aus. Im Juni begann eine zweimonatige Sommerpause, im September ruhte die Arbeit wegen des Fastenmonats Ramadan. Inzwischen hat fast die Hälfte der Parteien die Regierungskoalition verlassen, die regierende Vereinigte Patriotische Allianz der schiitischen Parteien hat zwei ihrer vier Mitgliedsparteien eingebüßt. Maliki steht unter Druck von allen Seiten. Während die US-Administration und der IWF, auf deren Seite sich auch die kurdische Regionalregierung geschlagen hat, auf eine rasche Verabschiedung des Gesetzes drängen, formiert sich quer durch alle irakischen Parteien der Widerstand dagegen. Sogar Abgeordnete der Dawa-Partei von Maliki lehnen die weitreichenden Privatisierungspläne ab. Mehr als 100 irakische Wissenschaftler und Ölexperten warnten in einem offenen Brief vor den Auswirkungen des geplanten Ölgesetzes. Sollte es verabschiedet werden, werde die nationale Ölindustrie Iraks zerschlagen, der Zugriff auf das irakische Öl durch multinationale Ölkonzerne gefördert und korrupte Politiker im Irak gestärkt werden, warnt Kamil Mahdi von der britischen Universität Exeter in einer Studie. Die Opposi-tion in Regierung und Parlament gegen das Ölgesetz sei »symptomatisch für die Unzufriedenheit und Unsicherheit innerhalb der neuen politischen Klasse und reflektiert darüber hinaus eine landesweite Wut über das Gesetz, das als ein Akt der Ausplünderung verstanden wird«.

Die kurdische Regionalregierung hingegen ist einverstanden mit dem Gesetz. Weil man in Erbil das Zögern in Bagdad nicht länger hinnehmen mochte, wurden Anfang August mit der Verabschiedung eines eigenen Ölgesetzes Fakten geschaffen. Kurz darauf unterzeichnete man die ersten Verträge mit der US-Ölfirma Hunt, die vorsehen, daß Hunt noch in diesem Jahr mit der Erschließung neuer Ölfelder in der Provinz Dohuk beginnen kann. Die Verträge haben eine Laufzeit von bis zu 30 Jahren. Der irakische Ölminister Al-Scharistani kritisierte die Abkommen als »illegal«, was von seiten der Kurden mit der Forderung nach seinem Rücktritt quittiert wurde. Anfang Oktober unterzeichneten sie zwei weitere Verträge mit der kanadischen Heritage Oil and Gas Company und der Ölgesellschaft Perenco S.A. aus Frankreich.

Der politische Analyst Munir Chalabi schreibt im Onlinemagazin »zmag«, der Streit drehe sich um die Frage, wer die strategische Ölpolitik Iraks in Zukunft kontrollieren solle und welche Ölfelder an internationale Ölkonzerne übergeben werden sollten. »Die Kurden-Regierung besteht darauf, daß mehrere größere Ölfelder, die (bisher) der Irakischen Nationalen Ölgesellschaft (…) zugewiesen sind«, den Ölmultis überlassen werden können, so Chalabi. Er kommt schließlich zu der Einschätzung, daß aufgrund der wachsenden Auseinandersetzungen über das Ölgesetz die Zeit für die Ölprivatisierungspläne der US-Administration in Irak knapp werden. »Je mehr Menschen das Gesetz verstehen«, so Chalabi, »desto höher die Möglichkeit seiner Ablehnung.« Eine Umfrage von »KA Research« ergab, daß 91 Prozent der Iraker sich über das Ölgesetz nicht genug informiert fühlen. 63 Prozent sind dagegen, die nationalen Ölfelder ausländischen Firmen zu öffnen. Die Forderung nach einem Referendum über das Ölgesetz wird immer lauter, weil das vorliegende Gesetz die staatliche Souveränität Iraks grundlegend in Frage stelle.

* Aus: junge Welt, 8. Oktober 2007


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